Codex Alera 06: Der erste Fürst
nicht sicher, ob ich ihm vertraue.«
Tavi runzelte die Stirn. »Bei den Krähen, Mann! Valiar Marcus? Warum nicht?«
»Er …« Magnus seufzte. »Es ist nichts, was ich genau beziffern kann, obwohl ich das seit Wochen versuche. Es ist einfach … irgendetwas seltsam.«
Tavi brummte. »Bist du dir sicher?«
»Natürlich nicht«, antwortete Magnus automatisch. »Nichts ist sicher.«
Tavi nickte. »Aber du hast die Sache auch nicht aufgegeben.«
»Es ist ein Bauchgefühl«, sagte Magnus, »ich weiß es. Ich kann nur nicht herausfinden, woher ich es weiß.« Er hob die Hand und strich sich die weißen Haare aus den Augen. »Ich nehme an, es ist durchaus möglich, dass ich senil werde.« Plötzlich starrte er Tavi an. »Wie lange weißt du das mit Sextus schon?«
»Ich habe es ein paar Tage, nachdem wir aus Canea entkommen waren, erfahren«, sagte Tavi gemessen.
»Und du hast nichts davon gesagt?«
Tavi zuckte die Achseln. »Was hätte das schon geändert, abgesehen davon, dass es alle in Angst und Schrecken versetzt und uns den Canim gegenüber verwundbarer gemacht hätte?« Er schüttelte den Kopf. »Wenn alle auf langsamen Schiffen gehockt und nichts zu tun gehabt hätten, als schlimme Gedanken wiederzukäuen, dann hätten wir binnen einer Woche ein Blutvergießen an Deck gehabt. So aber werden wir, bis sich alles herumspricht, schon mitten im Landemanöver sein. Jeder wird eine Arbeit haben, die seine Hände beschäftigt hält.«
Magnus seufzte. »Ja, ich nehme an, es war nötig, Stillschweigen darüber zu bewahren.« Er schüttelte den Kopf, und seine Augen funkelten kurz ein wenig. »Aber bitte, Hoheit, mach dir so etwas nicht zur Gewohnheit. Mein Herz hält nicht mehr so viel aus.«
»Ich werde tun, was ich kann«, sagte Tavi. Er nickte Magnus zu und widmete sich dann wieder seinem Schreibtisch. »Oh, Maestro?«
»Hm?«
Tavi, der erschöpft auf seinem Stuhl zusammengesunken war, schaute auf. »Valiar Marcus hat mir das Leben gerettet und ich ihm. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich jemals gegen die Legion wenden würde – oder gegen mich.«
Magnus schwieg einen Augenblick lang. Dann sagte er leise: »So denken immer alle über Verräter, mein Junge. Deshalb hassen wir sie so sehr.«
Der alte Mann verließ die Kajüte.
Aquitanius Attis, der Mann, der einen Großteil seines Lebens mit dem Versuch beschäftigt gewesen war, die Krone von Alera an sich zu reißen, war nun nur einen Herzschlag davon entfernt, sie unanfechtbar zu übernehmen. Konnte es sein, dass noch ein Messer lauerte und auf den rechten Augenblick zum Zustoßen wartete?
Tavi schloss die Augen. Er fühlte sich zerbrechlich. Er hatte Angst.
Dann stand er abrupt auf, schritt durch den Raum und begann, sich die neue Rüstung anzulegen. Er hatte sie als Ersatz für die, die er in der Hafenstadt Molvar verloren hatte, einem Legionare abgenommen, der nach der Evakuierung seinen Wunden erlegen war. Das vertraute Gewicht einer aleranischen Lorica senkte sich auf ihn, kalt und stabil. Er gürtete sich das Schwert um die Hüften und spürte die kühle Kraft des Stahls, die leise die Klinge auf ganzer Länge durchsang.
Es lag Arbeit vor ihm.
Am besten packte er sie sofort an.
3
»Halt den Rücken gerade«, rief Amara. »Dreh die Fersen ein bisschen weiter nach außen!«
»Warum?«, rief das Mädchen auf dem Pony. Sie ritt in dem Übungsring, den die kleine Abteilung von Kavalleriesoldaten in Kaserna errichtet hatte. Es war im Grunde nur eine vier Fuß tiefe, mit weicher Erde ausgestreute Grube, die etwa zweihundert Schritt lang und halb so breit war.
»Das hilft dir, das Gleichgewicht zu halten«, rief Amara vom Rand der Grube.
»Ich bin schon gut im Gleichgewicht«, beharrte das Mädchen.
»Im Augenblick ja«, sagte Amara. »Aber wenn Ajax etwas tut, womit du nicht rechnest, dann sieht die Sache auf einmal ganz anders aus.«
Das kleine Mädchen hatte dunkles, lockiges Haar und trübe haselnussbraune Augen. Sie war acht Jahre alt. Sie hob den Kopf und zog die Nase auf eine Art und Weise hoch, die Amara ungemein an Kalarus Brencis Minoris erinnerte. Sie kreuzte die Arme vor dem Bauch und erschauerte ein wenig. »Versuch, mehr die Beine einzusetzen, Mascha«, rief sie. »Halt den Kopf gerade. Tu so, als ob du einen Becher Wasser darauf balancierst und nichts daraus verschütten möchtest.«
»Das ist albern«, rief Mascha zurück und lächelte Amara an, als sie an ihr vorbeikam. Fröhlich rief sie ihr über die Schulter zu:
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