Codex Alera 06: Der erste Fürst
Lächeln verschwand.
Hinter Mascha war Bernard damit beschäftigt, sich mit einer Hand den Mund zu reiben.
»Das war etwas anderes«, sagte Amara.
»Warum?«
»Aus vielerlei Gründen, die du vielleicht nicht verstehst, bevor du älter bist.«
Mascha runzelte die Stirn. »Warum nicht?«
»Komm jetzt«, brummte Bernard und drängte sich dazwischen. Er hob das Kind so mühelos wie eine Daune in die Luft und setzte es in den Sattel des Ponys. Er war ein großer, breitschultriger Mann, dessen Bart und dunkles Haar von silbernen Strähnen durchzogen waren. Seine Hände waren groß, stark und von einem langen Arbeitsleben vernarbt – aber trotz alledem ging er so sanft mit dem Kind um wie eine Katzenmutter mit ihren Jungen. »Noch einmal um den Ring, wie vorhin«, sagte er ruhig, »dann müssen wir Mittag essen.«
Mascha hob die Zügel auf und biss sich auf die Unterlippe. »Kann ich langsam reiten?«
»Das geht in Ordnung«, sagte Bernard.
Mascha schnalzte mit der Zunge und begann Ajax im Schritt am äußeren Rand der Bahn entlangzureiten, beinahe im Hohlkreuz, weil sie sich so anstrengte, den Rücken gerade zu halten. Ihre Zehenspitzen ruhten auf den Rippen des Ponys.
»Nun?«, fragte Amara leise, sobald das Kind mehrere Schritte entfernt war.
»Isana ist auf dem Weg hierher.«
»Schon wieder? Sie war doch erst vor drei Tagen da.«
»Senator Valerius ist es gelungen, im Senat die nötige Mehrheit hinter sich zu bringen«, sagte Bernard. »Er plant, die Rechtmäßigkeit von Septimus’ Ehe in Zweifel zu ziehen.«
Ein schlechter Geschmack breitete sich bei den Worten in Amaras Mund aus, und sie spuckte auf den Boden. »Manchmal wünsche ich mir, du hättest diesen Egomanen ein ganzes Stück kräftiger verprügelt.«
»Während der Rettung hat großes Durcheinander geherrscht«, sagte Bernard, »und Valerius wollte einfach nicht den Mund halten. Das hat mich beim Denken gestört.« Er schürzte die Lippen und sagte nachdenklich: »Wenn wir das nächste Mal in so einer Lage sind, mache ich meine Sache besser.«
Amara lachte leise und schüttelte den Kopf, während sie Mascha weiter beim Reiten zusah. »Verfluchte Krähen«, knurrte sie einen Augenblick später mit zusammengebissenen Zähnen. »Selbst jetzt noch, da es um alles geht, spielen diese Narren ihre Spielchen. Sie werden noch unter dem Tisch miteinander schachern, während ein verdammter Vordritter sie in Stücke reißt – als seien die Vord bloß eine vorübergehende Unannehmlichkeit!«
»Das müssen sie sich einreden«, sagte Bernard. »Sonst müssten sie sich eingestehen, dass es töricht von ihnen war, die Warnung nicht zu beachten, die wir schon vor fünf verdammten Jahren ausgesprochen haben.«
»Und das wäre schrecklich«, sagte Amara. Sie dachte einen Augenblick lang über die Lage nach. »Wenn Valerius Erfolg hat, verschafft das Aquitanius jeden Vorwand, den er braucht, um die Krone zu behalten, sogar falls … wenn Octavian zurückkehrt.«
Bernard brummte zustimmend.
»Was sollen wir tun?«
»Mit meiner Schwester sprechen«, sagte Bernard. »Herausfinden, welche Senatoren wir vielleicht auf unsere Seite ziehen können.« Mascha und Ajax hatten ihre langsame Runde durch den Ring beinahe beendet. »Wie geht es ihr?«
»Vorhin hat sie gelächelt«, sagte Amara. »Gescherzt. Beinahe gelacht.«
Bernard stieß ein grollendes Seufzen aus. »Na ja. Das ist dann wenigstens eine gute Sache heute. Wenn wir jeden Tag so viel gewinnen könnten, würde es sich summieren.«
»Vielleicht«, sagte Amara.
Er sah sie schief an und bedeckte dann sacht ihre Hand mit seiner. »Wie geht es dir?«
Sie schloss die Finger um seine und spürte ihre sanfte Kraft, die raue Oberfläche seiner von der Arbeit gehärteten Haut. »Eine Frau, deren Todesurteil ich praktisch unterzeichnet habe, hat mich damit beauftragt, ihr Kind zu beschützen und großzuziehen. Weniger als einen Tag, nachdem sie das getan hat, habe ich Maschas Vater getötet. Und jede Nacht, wenn sie Albträume hat, kommt die Kleine zu mir gelaufen, weil sie sich dann besser fühlt.« Amara schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher, wie ich das finden soll, Liebster.«
Mascha schaute zu Amara hoch, als sie näher herankam. Sie achtete darauf, den Rücken gerade zu halten, und ihr Lächeln war gleichermaßen betrübt und stolz.
Amara ertappte sich dabei, dass sie das Lächeln erwiderte. Sie konnte einfach nicht anders. Angesichts des drohenden Entsetzens war das Lächeln des Kindes
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