Codex Alera 06: Der erste Fürst
Flüchtlingen verspeist worden.
Bernard hatte sich dem Flüchtlingsproblem mit dieser auf praktische Belange gerichteten Energie gewidmet, die alle langjährigen Bewohner des Calderon-Tals auszeichnete. Diese hatten ihr Leben damit verbracht, sich im wilden Grenzland durchzuschlagen, was ihnen ein Ausmaß an Selbstgenügsamkeit, Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit verlieh, wie es unter Freien ungewöhnlich war. Ihr Mann hatte in dem plötzlichen Zustrom von Aleranern nicht nur Schwierigkeiten gesehen, sondern auch eine Gelegenheit.
Binnen weniger Wochen waren die Bemühungen, Obdach für jede Seele im Tal zu schaffen, zu organisierten Anstrengungen geworden, an denen sich Bernards Trupp Legionspioniere und die Wehrhöfer aus dem Tal beteiligt hatten, die den Zustrom von Fremden als Herausforderung an ihre Gastfreundschaft zu betrachten schienen. Und als die Anstrengungen erst beendet gewesen waren, hatte Bernard die Ordnung, die er so unter den Flüchtlingen hergestellt hatte, ausgenutzt, um ihre Hände zu beschäftigen. Sie begannen, Calderons Verteidigungsanlagen auszubauen und die Landfläche, auf der Feldfrüchte angebaut werden konnten, beträchtlich zu erweitern.
Es war unglaublich, was Menschen leisten konnten, wenn sie an einem Strang zogen.
Plötzliches Hufgetrappel riss Amara aus ihrem Tagtraum: Ein Hüne von einem Mann kam auf einem muskulösen braunen Wallach angeritten. Das Pferd protestierte dagegen, gezügelt zu werden, und beschwerte sich lautstark, während es mit den Vorderhufen ausschlug. Dieses Wiehern seinerseits tönte bis zu dem kleinen Ajax auf der Reitbahn. Das Pony sprang prompt in die Luft und wand seinen Körper mit der mühelosen Geschmeidigkeit einer Katze. Mascha schrie auf und wurde aus dem Sattel geschleudert.
Amara ließ eine Hand vorschießen, um Cirrus auszuschicken, den Sturz des Kindes abzufedern und zu verlangsamen. Schlagartig sprudelte ein Geysir aus Wind unmittelbar über dem Boden des Rings hervor. Dank Amaras Eingreifen und der weichen Erde, die natürlich für Vorfälle wie diesen gedacht war, landete das Kind mehr oder minder unbeschadet.
Ajax begann, sichtlich zufrieden mit sich, aus Leibeskräften im Kreis zu laufen und schüttelte die Mähne.
»Bernard«, seufzte Amara.
Der Graf von Calderon sah den großen Wallach finster an, während er ihn beruhigte, stieg ab und band die Zügel um eine aus einer langen Reihe von Pferdestangen. »Tut mir leid«, sagte er und zeigte auf das Pferd. »Dieser Dummkopf kann es kaum noch abwarten, dass jemand zum Angriff bläst. Ich will mich nicht mal mehr daran erinnern, wie er war, bevor er kastriert worden ist.«
Amara lächelte, und sie stiegen gemeinsam auf die Reitbahn hinab, wo Mascha schniefend lag. Amara suchte das Mädchen nach Verletzungen ab, aber die Kleine hatte nur blaue Flecken davongetragen. Amara half ihr mit den Händen und freundlichen, sanften Worten auf die Beine, während Bernard die Augen zusammenkniff, sein Erdwirken auf Ajax ausrichtete und das stolze kleine Pferd auf diese Weise langsam zum Anhalten brachte. Dann zog Bernard einen mit Honig versetzten Wachsklumpen aus der Tasche, fütterte Ajax damit und redete leise auf ihn ein, während er seine Zügel ergriff.
»Rücken gerade«, sagte Amara zu dem Kind, »Fersen nach außen.«
Mascha schniefte noch ein paar Mal und sagte dann: »Ajax sollte besser aufpassen.«
»Wahrscheinlich«, sagte Amara und unterdrückte ein Lächeln, »aber er weiß nicht wie. Also musst du eine ordentliche Haltung einüben.«
Das Mädchen warf einen misstrauischen Blick auf das Pony, das jetzt friedlich seinen Leckerbissen aus Bernards Hand futterte. »Kann ich die morgen üben?«
»Es ist besser, wenn du jetzt gleich wieder aufsteigst«, sagte Amara.
»Warum?«
»Wenn du es nicht tust, steigst du vielleicht nie wieder auf«, sagte Amara.
»Aber ich habe Angst davor.«
Jetzt lächelte Amara doch. »Deshalb musst du es ja auch tun. Sonst lässt du dich von deiner Furcht beherrschen, statt sie selbst zu beherrschen.«
Mascha dachte eine Weile ernst darüber nach. Dann sagte sie: »Aber du hast gesagt, dass Furcht gut ist.«
»Ich habe gesagt, dass sie normal ist«, antwortete Amara. »Jeder hat einmal Angst, besonders, wenn etwas Schlimmes geschieht. Aber davon darf man sich nicht so erschrecken lassen, dass man einfach aufhört.«
»Aber du hast aufgehört, diesen Kursorenkram für den Ersten Fürsten zu machen«, wandte Mascha ein.
Amara spürte, wie ihr
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