Codex Alera 06: Der erste Fürst
»Nein.«
»Dann treffen wir aufeinander, sobald du dich darauf vorbereitet hast. Einzelne Klinge, auf offenem Feld, bis einer fällt.«
»Einverstanden«, sagte Varg.
Die beiden tauschten eine weitere, kaum wahrnehmbare Verneigung. Tavi machte langsam mehrere Schritte rückwärts, ohne den Blick von Varg abzuwenden. Dann drehte er sich um, winkte mit einer Hand seine Gefährten zu sich und ging den Weg zurück, den er gekommen war.
Es waren bereits Gerüchte unter den Canim im Umlauf. Hunderte, wenn nicht Tausende von ihnen strömten herbei, um die Aleraner auf dem Rückweg anzustarren. Obwohl das Grummeln von Bassstimmen, die Canisch sprachen, nie ein freundlicher, beruhigender Klang war, hatte Tavi den Eindruck, dass der Tonfall insgesamt weitaus unschöner war, als er es bisher erlebt hatte. Er schritt durch die Menge der hoch aufragenden Wolfsmenschen, die Augen nach vorn gerichtet, die zusammengebissenen Zähne gebleckt. Er war sich am Rande bewusst, dass Kitai an seiner Seite ging und Max, Crassus und Schultus hinter ihm waren. Sie marschierten alle im Gleichschritt mit ihm, ließen die Stiefel zur selben Zeit auf den Boden treffen – dieses eine Mal sogar Kitai.
Die Canim versuchten nicht, sie aufzuhalten; doch Tavi bemerkte, als sie den Rand des Lagers erreichten, dass eine große Horde auf sie zugeströmt kam, geführt von einem halben Dutzend Ritualisten in ihren Umhängen aus fahlem Menschenleder. Er verfolgte ihr Vorrücken aus dem Augenwinkel, änderte sein Tempo aber nicht. Wenn die Aleraner den Canim ringsum so erschienen, als ob sie auf der Flucht wären, konnte das einen Angriff auslösen – und ganz gleich, wie stark jeder Einzelne seiner Begleiter war, sie waren nur eine Handvoll Menschen, die von Hunderten von Canim umgeben waren. Sie würden in Stücke gerissen werden.
Tavi ging durch das zerbrochene Tor und an den beiden Wachen dort vorbei, die wieder auf den Beinen waren und verdrossen dreinblickten. Doch keiner von beiden schaute Tavi in die Augen oder versuchte, ihn herauszufordern, und der von den Ritualisten geführte Pöbel war noch ein paar hundert Schritt entfernt, als Tavi durchs Tor kam und wieder den Hügel hinaufging. Erst, als sie außer Reichweite jedes von einem Canim geworfenen Steins oder Speers waren, gestattete er sich, sich zu entspannen.
»Verfluchte Krähen«, hauchte Schultus hinter ihm.
»Krähen und verdammte Elementare«, pflichtete Max ihm bei. »Habt ihr den Trupp mit den Ritualisten gesehen? Die hätten sich im Handumdrehen auf uns gestürzt.«
»Ja«, sagte Crassus. »Das wäre unerfreulich geworden.«
»Deshalb hat der Hauptmann auch auf dem Weg hinein die Tore zerstört«, sagte Kitai. »Das ist doch offensichtlich.«
»Ich habe es bisher nie bereut, wenn ich vorher dafür gesorgt habe, dass ein rascher Fluchtweg zur Verfügung steht«, sagte Tavi. »Zenturio.«
»Hauptmann«, sagte Schultus.
Tavi nickte den Legionares zu, die am Lagertor der Ersten Aleranischen Legion auf Posten waren, als sie an ihnen vorbeikamen. »Ich will, dass du mit deinem Tribun sprichst. Lass ihn wissen, dass ich die Schlachtkrähen für einen Sondereinsatz bereit haben möchte. Das ist alles, was er wissen muss.«
»Zu Befehl«, bestätigte Schultus.
»Lasst sie für einen Marsch zu Pferde packen und bringt sie hinauf zum Standort der Pionierkohorte. Die Stellung liegt an einem Strand nördlich von Antillus. Sichert die Pioniere ab und haltet Ausschau nach verdächtigen Canim. Wenn sie uns das Leben schwer machen wollen, dann am Sammelpunkt, deshalb will ich, dass eure Männer noch vor Einbruch der Nacht auf Posten sind.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest, Hauptmann«, sagte Schultus ernst. Er salutierte und wandte sich zum Gehen. »Ich bin schon unterwegs.«
»Max, begleite ihn mit der Kavallerie. Halt einen Flügel in ständiger Bereitschaft, um auf Angriffe zu reagieren. Und sei auch nicht zu zurückhaltend. Ich will, dass jeder, der auch nur daran denkt, den Pionieren ins Handwerk zu pfuschen, weiß, was ihm blüht, wenn er es versucht.«
Max nickte. »Verstanden. Und wovor genau beschützen wir sie?«
»Darauf wirst du schon noch kommen«, sagte Tavi. »Crassus, ich weiß, dass es den Rittern nicht gefallen wird, aber sie müssen wieder so tun, als ob sie Pioniere wären. Die nächsten paar Tage werden schwierig. Begleite Max und Schultus und melde dich beim Pionierstab.«
Crassus seufzte. »Wenigstens sind es diesmal keine Eisschiffe mehr.«
Tavi
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