Codex Alera 06: Der erste Fürst
Lärm.«
Sie warf ihm einen kurzen, besorgten Blick zu. »Nicht alle Feinde sind wie Varg. Sei vorsichtig.«
Tavi schnaubte und schwieg, während sie ihren Marsch durch das Lager ungestört beendeten.
Als Tavi sich dem Mittelpunkt des Lagers näherte, entdeckte er ein Dutzend der ranghöchsten Canim aus der Kriegerkaste, deren Rüstungen von so vielen scharlachroten Mustern bedeckt waren, dass wenig bis gar kein schwarzer Stahl zu sehen war. Sie lungerten alle in lässiger Haltung um den Eingang des eingegrabenen Unterstands herum, den Varg als Hauptquartier nutzte.
Mehrere von ihnen hockten da, als ob sie nur in Zweier- oder Dreiergrüppchen herumsitzen würden und sich die Zeit vertrieben. Zwei weitere spielten Ludus auf einem übergroßen Spielfeld mit riesigen Spielfiguren. Ein anderes Paar stand sich mit hölzernen Übungsschwertern gegenüber. Die beiden Canim ließen die stumpfen Klingen nicht aufeinanderprallen. Einer stand in Verteidigungshaltung da und hielt sich die Klinge vor den Körper. Sein Gegner hielt das eigene Schwert in Verlängerung seiner Wirbelsäule über den Kopf gereckt.
Als Tavi näher herankam, veränderte sich die Haltung beider Krieger, anscheinend genau zur selben Zeit. Der erste Cane wich einen Schritt beiseite und veränderte den Winkel seiner Klinge. Sein Partner bewegte sich in tänzerischem Gleichklang einen halben Schritt vorwärts, vollführte eine Drehung, ließ seine Waffe herabsausen und dabei zugleich vorschnellen, so dass die hölzerne Spitze des Schwerts unmittelbar vor der Klinge des anderen Cane halten blieb. Sie erstarrten beide erneut, nur um einige Atemzüge später wieder die Position zu verändern. Als sie wieder zur Ruhe kamen, ließ der erste Cane die Kiefer zu einem lässigen Grinsen aufklaffen. Der zweite ließ ein grollendes Knurren der Enttäuschung vernehmen. Die beiden senkten die Klingen, neigten die Köpfe in einer Canimverbeugung voreinander und drehten sich um, um die näher kommenden Aleraner zu beobachten, als sei ihr Wettstreit ganz zufällig ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt zu Ende gegangen.
Tavi blieb ein paar Fuß außer Sprungweite vor einem der Wächter des Kriegsführers stehen, knurrte leise und rief: » Gadara ! Ich möchte mit dir sprechen!«
Einen Moment lang herrschte gähnende Stille, und das Dutzend Wachen wandte sich ruhig und entspannt den Aleranern zu. Jeder einzelne Wächter hatte eine Pfotenhand am Griff einer Waffe liegen.
Varg trat in seiner scharlachroten Stahlrüstung aus dem Unterstand hervor und schritt gezielt ins Licht. Nasaug folgte seinem Vater, die Augen auf die Aleraner gerichtet. Varg trat vor, auf Tavi zu, und blieb einen Zollbruchteil außer Reichweite seiner Waffe stehen.
Tavi und Varg tauschten einen kaum wahrnehmbaren Canimgruß, indem sie die Köpfe sehr leicht zu einer Seite legten.
»Was ist das hier?«, fragte Varg.
»Es ist, was es ist«, antwortete Tavi. »Zwei Canim haben gerade versucht, mich in meinem Hauptquartier zu töten. Sie sind hereingekommen, indem sie sich als deine Boten ausgegeben haben. Einer trug die Rüstung eines Kriegers aus Narash, der andere die von Nasaugs Miliz.«
Vargs Ohren wirbelten nach vorn herum und blieben so stehen. Bei einem Cane war das ein Ausdruck höflichen Interesses, aber die Reglosigkeit von Vargs restlichem Körper entsprach einer ausdruckslosen Maske, die dazu dienen sollte, nichts von seinen Gedanken zu verraten.
»Wo sind sie?«, fragte Varg.
Tavi spürte, wie er sich bei der Frage anspannte, aber er zwang seinen Körper, selbstbewusst und gelassen zu bleiben. »Tot.«
Ein leises Knurren drang aus Vargs Kehle.
»Ich kann so etwas nicht einfach geschehen lassen«, antwortete Tavi.
»Nein«, sagte Varg, »das kannst du nicht.«
»Ich möchte dem Cane gegenübertreten, der dafür verantwortlich ist.«
Vargs Augen verengten sich. Mehrere Sekunden des Schweigens verstrichen, bevor er sprach. »Dann musst du mir gegenübertreten. Ich führe meine Leute an. Ich bin für sie verantwortlich.«
Tavi nickte langsam. »Ich habe damit gerechnet, dass du das sagen würdest.«
Nasaug ließ ein leises, grollendes Knurren vernehmen.
»Sei still«, brummte Varg und warf einen Blick über die Schulter.
Nasaug fügte sich.
Varg wandte sich wieder an Tavi. »Wo und wann.«
»Unsere Streitmacht muss in zwei Tagen aufbrechen«, sagte Tavi. »Ist das Zeit genug, so etwas vorzubereiten?«
»Zusätzlich zu dem, was schon unternommen wird?«, fragte Varg.
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