Codex Alera 06: Der erste Fürst
Dutzend junger Frauen umgebracht hat, während Parcius Fidelar Martinus der erste dienende Civis war, der nach den Fieberdornkriegen in den Orden der Treuen berufen wurde – und das erst, nachdem er Gaius Secundus’ Einladung, dem Kronenorden der Tapferen beizutreten, zweimal abgelehnt hatte.« Senator Theoginus schnaubte. »Diese beiden mit Gaius Octavian und Gaius Aquitanius Attis zu vergleichen kommt mir wie eine schiere Verzweiflungstat vor – besonders, da du über keinerlei Beweismittel verfügst, um zu belegen, dass Octavians Geburt unehelich war.«
Valerius stand auf und hob die Hand. »Ich muss dich zur Ordnung rufen, verehrter Theoginus. Die Beweislast liegt, wenn es darum geht, Ehelichkeit zu belegen, bei den Eltern oder, wenn sie nicht mehr am Leben oder dazu in der Lage sind, beim Kind. Legitimität muss besonders innerhalb der Civitas erst bewiesen werden.«
»Das ist sie«, sagte Theoginus. »Mit dem Siegelring des Princeps Septimus, Araris Valerians Augenzeugenbericht und der Unterschrift des Princeps Septimus persönlich.« Theoginus hielt inne, als ein leises Raunen im Amphitheater sowohl die Reihen der Senatoren als auch die der Beobachter durchlief, und musterte Valerius abwartend.
»Gaius Sextus hat Octavian niemals in aller Form dem Senat vorgestellt«, antwortete Valerius aalglatt. »Von Rechts wegen ist er nie in aller Form anerkannt worden.«
»Als Civis aus eigenem Recht«, konterte Theoginus, »was nicht das Geringste mit Gaius’ Wahl seines Erben zu tun hat – die in einer Staatsurkunde klar festgelegt ist.«
»Es steht zu hoffen«, erwiderte Valerius, »dass der Erste Fürst des Reichs den Anstand haben sollte, zugleich auch Civis zu sein.«
»Das sind Wortspiele, Senator. Wir haben alle mit eigenen Augen eine ausreichende Demonstration von Octavians offensichtlichen Fähigkeiten gesehen. Der Beweis war schließlich auch für Gaius Sextus gut genug. Warum sollte er uns anderen nicht ausreichen?«
»Die Zeugenaussage des Leibarztes von Gaius Sextus hat ergeben, dass Sextus Opfer einer langjährigen Vergiftung mit veredeltem Helatin geworden ist«, sagte Valerius nüchtern. »Helatin schädigt den gesamten Körper, einschließlich des Verstands. Es ist durchaus möglich, dass Gaius Sextus im letzten Jahr seines Lebens nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war …«
Valerius’ Stimme ging in plötzlichem Protestgeschrei unter, und Amara ertappte sich wieder dabei, das Wiesel erwürgen zu wollen. Erst mutete er allen Ulfius’ endlose Argumentation zu, dann versuchte er, zur Eile zu drängen und das Thema unter Berufung auf die Notwendigkeit raschen Handelns schnell abzuhandeln. Gewiss, solch eine Taktik hatte schon früher im Senat Erfolg gehabt, wenn auch gewöhnlich nicht angesichts ernsthaften Widerstands. Aber das hier … Gaius’ Geistesverfassung infrage zu stellen war ein meisterlicher Spielzug. Wenn genug Senatoren willens waren, sich dieser Auffassung anzuschließen, dann würde das bedeuten, dass fast alles, was Gaius während der Vordinvasion getan hatte, zu illegalem Vorgehen erklärt und vom machthungrigen Senat ungültig gemacht werden konnte. Schließlich konnte Sextus seine Handlungsweise jetzt wohl kaum noch verteidigen.
Es gab aber einen Weg, Valerius’ Stoß abzulenken, wenn Theoginus nur schlau genug war, ihn zu sehen.
Theoginus hob die Hand und mahnte damit alle stumm zur Ruhe; der Lärm schrumpfte auf das Summen hektischen Geflüsters zusammen. »Verehrter Bruder im Senat«, sagte Theoginus mit offener Verachtung in der Stimme, »fast jeder Fürst und Hohe Fürst des Reichs hat während des gesamten Feldzugs im letzten Jahr in Gaius Sextus’ Gegenwart gearbeitet. Du unterstellst doch sicher nicht, dass so vielen Cives des Reichs, von denen die allermeisten begabte Wasserwirker sind, Wahnsinn einfach nicht aufgefallen wäre, wenn sie ihn vor sich gesehen hätten?«
»Bruder …«, begann Valerius.
»Und wenn er tatsächlich senil war«, fuhr Theoginus fort, »muss die Tatsache, dass er Aquitanius Attis in sein Haus adoptiert hat, doch sicher mit dem gleichen Misstrauen betrachtet werden wie die, dass er Octavian für legitim erklärt hat.«
»Ha«, sagte Amara, bleckte die Zähne zu einem Grinsen und schlug mit der Faust auf Bernards Oberschenkel. »Er hat es gesehen.«
Bernard schloss die Hände um ihre Faust. »Sachte, meine Liebe, sonst hinterlässt du noch Prellungen.«
»Aquitanius Attis«, fuhr Theoginus fort und wandte sich
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