Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Codex Mosel

Titel: Codex Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
Vom Netzwerk:
in mehreren Reihen anstehen mussten. Als der Wirt nach zehn Minuten den dritten Kasten Bier auf das Bord hinter dem Tresen stemmte, waren bereits sämtliche Schalen mit Knabbergebäck von den Tischen verschwunden und das Wasser aus den Aschenbechern, die auf dem Boden standen, aufgeschleckt. Die Atmosphäre war deutlich gelöster, als das vorhin im Flur des ersten Stocks der Fall gewesen war.
    Das würde ihnen draußen sicherlich keiner glauben, dass dieser ruppige Kripotyp sich bei den Stadtstreichern entschuldigt und sie anschließend zu einem Bier in die Kantine eingeladen hatte.
    *
    Während der Kellner im Biergarten der Mousel-Brauerei den Teller des verspäteten Mittagessens abräumte, bestellte Bernard einen Espresso. Er trank den Rest aus seinem Bierhumpen und bemerkte erst beim dritten Klingeln, dass dieses von seinem Handy stammte.
    »Wie geht’s?«, fragte Bernard, als sein Komplize sich meldete. Dabei lächelte er möglichst freundlich, weil er sich beobachtet fühlte.
    »Könnt besser sein.«
    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hielt ein Bus. Die Insassen waren durch die milchiggrauen Fenster nur schemenhaft zu erkennen. Ein Taxi setzte waghalsig in die schmale Einfahrt neben der Gartenterrasse zurück.
    »Was ist los?« Bernard nickte dem Kellner zu, der den Espresso servierte.
    »Die Sache mit dem Busental hast du doch geplant!«, kam es vorwurfsvoll aus dem Hörer.
    Bernard sagte nichts.
    »Was hast du mit dem Zeug gemacht?«
    »Keine Ahnung, wovon du sprichst.«
    »Die Sachen sind weg.«
    »Wie, weg?« Bernard setzte sich gerade auf. Er schob den Humpen zur Seite.
    »Ich war im Busental in Pallien am Versteck. Alles weg! Verdammte Scheiße! Was hast du mit dem Zeug gemacht?«
    »Bist du verrückt? Ich hab die Sachen nicht angerührt. Es war absoluter Blödsinn, den Kram überhaupt mitzunehmen.«
    »Hattest du Angst, dass ich damit erwischt werde?« Die Stimme des Jüngeren klang wie die eines Kindes, das kurz davor steht, vor Enttäuschung loszuheulen. »Ich verlange Schadenersatz.«
    »Wie bitte?« Bernard schaute zu, wie der Bus losfuhr und der kleine Stau von Pkws dahinter wieder in Bewegung kam.
    »Du spinnst wohl! Das Zeug war absolut unverkäuflich, oder wolltest du es bei ebay verscherbeln? Mit deiner Extratour hast du das Projekt unnötig in Gefahr gebracht.« Bernard sah sich um. Der Tisch hinter ihm war immer noch leer.
    »Das gibt dir noch lange nicht das Recht …«, der Mann hustete.
    Bernard überlegte. Wie konnte das Versteck so schnell aufgespürt werden? War ihnen in der Nacht jemand gefolgt? Wenn die Polizei die Beute hatte, dann fanden sie auch die Fingerabdrücke seines Komplizen.
    Eine tief fliegende Maschine zog im Landeanflug langsam durch den blauen Himmel.
    »Ich will mehr Geld!«, wiederholte die Stimme ihre Forderung. »Zumal die andere Geschichte passiert ist.«
    »Was für eine andere Geschichte?«
    »Das weißt du selbst am besten. Ich hab das von dem Gärtner im Radio gehört.«
    »Was?«
    »Tu doch nicht so! Du hast doch die ganzen Tage bei diesem Domfritzen im Garten gehockt, oder ist dieser Gärtner nur unglücklich von der Leiter gefallen?«
    *
    Im Flur zog eine stumme Prozession von Technikern in weißen Kitteln an Walde vorbei. Vorneweg schritt ein Mann, eine Plastiktüte in Brusthöhe haltend. Walde erkannte den Stein aus der Hütte, an dem Haaranhaftungen entdeckt worden waren. Vier Herren begleiteten wie die Baldachinträger an Fronleichnam den Träger des Objekts der Verehrung. Vor sich hielt er auf den weißen Handschuhen die goldenen Löwenfüße des Andreas-Tragaltars. Die Kittelschöße der Männer wehten im Zugwind der offenen Fenster.
    Walde glaubte zu träumen, als jemand ihn hart in den Arm zwickte. »Die Dings ist verschwunden! Das gibt’s doch nicht! Niemand will sie gesehen haben!«
    »Wer ist verschwunden?« Walde versuchte, seinen linken Oberarm aus Gabis Krallen zu befreien.
    »Die Kutte, das darf doch nicht wahr sein!«
    »Lass bitte los!« Walde zerrte an Gabis Unterarm. Endlich löste sie die Umklammerung ihrer Finger. Er rieb sich die schmerzende Stelle.
    Gabi fuchtelte mit ihren langen Fingernägeln bedrohlich vor seinem Gesicht herum. »Das ist doch totale Scheiße, ich kann es nicht fassen.«
    Walde hörte, wie im Hintergrund auf ein Mikrofon geklopft wurde und der typische Begrüßungssingsang von Polizeipräsident Stiermann einsetzte.
    »Ja, okay.«
    Die Türen zu dem Raum wurden geschlossen, in dem soeben die Karawane

Weitere Kostenlose Bücher