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Codex Mosel

Titel: Codex Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Kantine öffnete, bereute sie es bereits. Aber es gab kein Zurück mehr. Neugierige Blicke musterten die wie die Schlote qualmende, laut debattierende und dabei mit den Bierflaschen in den Händen gestikulierende Gästeschar an der Theke.
    Neben Jo sog Brunetti hörbar die Luft in die Nase: »Was sind das für Leute?«
    »Das ist die Schmiere bei der Lagebesprechung vor der Nachtschicht«, kam Jo der perplexen Monika zuvor, wobei er das Wort Schmiere nicht ins Englische übersetzte. Auch die Pressesprecherin war bei diesem Begriff trotz ihres Sprachenstudiums mit ihrem Latein am Ende.
    *
    Kay Scarpetta, Salvo Montalbano und Siggi Baumeister saßen auf der Rückbank. Gabi fuhr ungewohnt gefühlvoll aus dem Parkhaus auf die Straße. Obwohl sie es noch problemlos bei Gelb über die Ampel geschafft hätten, bremste sie den Wagen sanft ab und schob die Kassette ein. »Exercise eight. Listen to the dialogue again and fill in the …«
    »Immer noch dieser Exerscheiß?«, fragte Gabi.
    Walde drückte die Auswurftaste und schaute nach hinten, wo sich Salvo angeregt über den in der Mitte sitzenden Siggi hinweg mit Kay unterhielt.
    »Wie kommst du eigentlich zu deinem ausgeprägten amerikanischen Akzent?«, fragte Walde, während Gabi untertourig von einem Gang in den nächsten schaltete.
    »Ich hab früher viel Musik von Motown gehört. So ein schwarzes Label mit Lionel Richie, Marvin Gaye. Meine Englischlehrerin ist schier verzweifelt. Sie versuchte, uns Oxfordenglisch beizubringen. Ich hab als Erste in der Klasse frei Englisch sprechen können, die Arbeiten nie schlechter als Zwei geschrieben und trotzdem, solange wir diese Oxfordziege hatten, immer nur eine Drei im Zeugnis stehen.«
    »Und heute frischst du deine Englischkenntnisse immer noch mit Motown-Sound auf?«
    »Nee, mehr Rap, Eminem und so.« Gabi bremste vor der Kurve zur Nordallee auf dreißig herunter.
    »Aha, das erklärt einiges.«
    »Was?«
    »Gabi, bitte verwende dieses Wort nicht mehr.«
    »He, welches?«
    Walde schaute verstohlen nach hinten: »Dieses englische Wort mit F!«
    *
    Die Sonne schien inzwischen von der anderen Seite in die tief unten im Tal liegenden Gärten. Veit stapfte zwischen Brennnesseln und wild wucherndem Efeu über den matschigen Weg am Bach entlang und schaute hoch zum Hang durch den Maschendrahtzaun, wo sich Wäsche auf der Leine im Wind bewegte. Sie hing seit dem Vormittag dort, als er abgehetzt an den Wasserfällen im oberen Teil des Tals ankam. Seine Kutte war in der kühlen Hütte im Fels nicht getrocknet, weil er, als das Feuer endlich brannte, vor den Eindringlingen flüchten musste. Veit blieb vor dem Zaun stehen. Oben am Haus regte sich nichts. Mit seinen schmutzigen Händen umfasste er den Holzpfosten unterhalb der Dose, die oben aufgestülpt war. Während er sich mit den Armen hochzog, suchten seine klobigen Schuhe in dem Draht nach Stellen, in die er die Fußspitzen einhaken konnte. Endlich brachte er ein Bein über den Draht und konnte sich über Brust und Bauch auf die andere Seite rollen. Als er wieder auf den Füßen stand, griff er in die Innentasche der Kutte und spürte augenblicklich die Kraft des länglichen Metalls, das sich so gut in seiner Hand anfühlte.
    Er beobachtete das Haus, während er den Pulli, die Stoffkappe und die Weste von der Leine riss, die Kappe aufsetzte und sich die beiden Kleidungsstücke oben in die Kutte stopfte, damit er die Hände zum Klettern frei hatte.
    *
    Als Erstes fiel Walde der Zigarillo rauchende Priester auf, der, auf die Griffe an der Rückenlehne eines Rollstuhls gestützt, hinter dem immer noch mit rot-weißem Band abgesperrten Haupteingang des Doms stand. Erst als der ebenfalls dunkel gekleidete Mann im Rollstuhl den Arm hob, erkannte Walde ihn als den Domkapitular Alfons Adams.
    Er machte Kay Scarpetta und Siggi Baumeister mit den beiden Geistlichen bekannt. Gabi und Salvo hatten sich nach dem Aussteigen Zigaretten angezündet und kamen nun langsam herbeigeschlendert.
    »Wie geht es Ihnen?«, erkundigte sich Walde beim Professor.
    »Halb so wild.« Adams* Stimme hörte sich kräftig an. Er fasste routiniert die Greifreifen und rollte nach einem leichten Schwenker mit dem Stuhl auf die Domtür zu. »Ich habe vor zwei Jahren schon mal hier drin gehockt.«
    »Im Anschluss möchten wir Sie zum Tathergang befragen«, Walde ging neben Adams her. »Nachdem, was Frau Basten ausgesagt hat, verstehe ich nicht ganz, warum der Fototermin so eilig war.«
    Adams bremste vor der Tür ab.

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