Codex Mosel
Einsatzwagen ankam. Polizisten bugsierten zwei Männer mit vernachlässigtem Äußeren aus dem Fond und schleppten die laut Protestierenden in Handschellen ins Präsidium.
Im Treppenhaus des Präsidiums schnupperte Walde. Hundegebell schallte von oben herunter. Er blieb stehen und schloss für eine Sekunde die Augen. Es roch wie in einer versifften Kneipe.
Oben im Flur nahm der Geruch erheblich an Intensität zu. Hier saß und stand, wie es Walde schien, die komplette Trierer Obdachlosenszene, von Polizeibeamten in Uniform bewacht. Ein Teil der Leute war mit ihren Hunden beschäftigt, andere brüteten vor sich hin, palaverten miteinander oder diskutierten mit den Polizisten. Waldes Ankunft fand kaum Beachtung.
Kurz vor seinem Büro erhob sich einer der Männer von der Bank und kam auf Walde zu. »Ich muss schon sagen, das ist ein starkes Stück. Das hätte ich nicht von Ihnen erwartet. Wie kommen Sie dazu?«
Walde brauchte einen Moment, um den mit Trenchcoat und Kordhose bekleideten Mann zu erkennen. »Entschuldigung, Herr Dr. Hoffmann, kommen Sie doch mit in mein Büro. Ich habe Sie nicht gleich erkannt.«
Der aufgebrachte Mann übersah die ihm entgegengestreckte Hand. Walde schloss die Tür auf.
»Mit einer lapidaren Entschuldigung ist das nicht getan!« Hoffmann blieb in der Tür stehen und wies auf den Gang. »Ich habe Ihrem Kollegen Grabbe eine vertrauliche Information aus einem sensiblen sozialen Bereich der Klinik weitergegeben. Es war mir klar, dass Sie darauf reagieren würden. Aber doch nicht in der Weise, dass Sie eine Razzia in der Armenküche machen, eine wahre Hatz auf Nichtsesshafte in den Straßen veranstalten und darüber hinaus Unterschlüpfe harmloser Menschen auf den Kopf stellen, die, außer, dass sie am Rande der Gesellschaft leben, niemandem etwas getan haben.« Hoffmann hatte den angebotenen Stuhl abgelehnt und stand nun vor Waldes Schreibtisch.
Walde fand zwei Müsliriegel in der untersten Schublade.
»Entschuldigen Sie bitte, aber ich habe seit dem Frühstück nichts mehr gegessen.« Er biss gierig in einen Riegel und blickte den Pathologen an. »Glauben Sie mir, ich habe keine Ahnung, was hier vorgeht.«
»Man sagte mir, Sie seien der Leiter der Soko.«
»Ich hatte gerade einen Termin in anderer Sache.«
»Ihre Ausflüchte interessieren mich nicht!« Hoffmanns von Natur aus blasse Gesichtsfarbe ähnelte inzwischen dem Weiß des Türblatts. »Dieser Veit soll stark traumatisiert sein.«
Harry kam mit Grabbe zur Tür herein: »Hallo, Herr Dr. Hoffmann.«
Grabbe schien die gespannte Atmosphäre sofort zu spüren und legte vorsichtig einen Stapel Papiere auf den Besprechungstisch.
»Wir müssen dich dringend sprechen«, wandte sich Harry an Walde.
»Können wir vorher noch klären, was da draußen los ist?«
»Wir suchen diesen Höhlenbewohner aus St. Jost.«
»Haben Sie diese Razzia zu verantworten?« Hoffmann sah Harry wütend an.
»Was soll die Frage?«, empörte sich Harry. »Wir suchen einen dringend Tatverdächtigen aus der Pennerszene.«
»Allein Ihre Wortwahl sagt mir, wes Geistes Kind Sie sind.« Hoffmanns Augen weiteten sich. »Die Razzia in der Armenküche wird ein Nachspiel haben. Dieser Brachialeinbruch in einen Bereich, in dem wir über Jahre einen Zufluchtsort für Bedürftige geschaffen haben, wo sie sich sicher und verstanden fühlen, wird eine Dienstaufsichtsbeschwerde nach sich ziehen. Sie werden von mir hören!« Mit diesen Worten stapfte Hoffmann zur Tür und knallte sie hinter sich zu.
Grabbe verließ ebenfalls das Zimmer.
»Was ist denn in den gefahren?« Gabi kam zur Tür herein.
Harry klärte sie auf.
»Du hast auf seinen Tipp hin eine Razzia in der Klinik gemacht?«, entrüstete sich Gabi.
»Nein, nur in dieser Speisung, oder wie man es nennen will.«
»Blödmann!«, schimpfte Gabi. »Wusstest du denn nicht, dass Walter Hoffmann zusammen mit dem Orden Initiator dieser Küche ist? Er muss sich doch wie der letzte Spitzel vorkommen. Der wird uns nie mehr was erzählen.«
»Sollen wir uns nun einen neuen Pathologen suchen?«, blaffte Harry zurück.
»Nun macht mal halblang!« Walde schluckte den Rest des zweiten Müsliriegels hinunter.
Gabi zog sich kopfschüttelnd einen Stuhl an den Schreibtisch heran. »In der Hütte von diesem Veit wurde neben dem Andreas-Tragaltar ein Stein mit Anhaftungen sichergestellt, wahrscheinlich sind es menschliche Haare. Die Technik prüft zurzeit, ob es sich um die Tatwaffe aus der Kurie handeln
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