Codex Mosel
verschwunden war.
»Wie okay?«, fragte Gabi. »Was ist denn jetzt? Haben die Deppen die Kutte hängen lassen? Sollen wir noch mal hinfahren zu der Hütte?«
»Nur zu, sieh nach!«
»Nicht noch mal mit diesen Schuhen.«
Als er die Tür zur Pressekonferenz erreichte, ertönte in seinem Rücken eine Bassstimme: »Herr Kommissar?«
Walde, fast schon hinter der Tür verschwunden, schaute sich im letzten Moment um.
Ein untersetzter Mann mit ärmelloser Lederweste schloss zu Walde auf. »Können wir mitkommen?«
»Wohin?«, rutschte es ihm heraus. Zu spät! Nun sah er auch die zwei Personen, die hinter dem Mann stehen geblieben waren und, wie ihm vorkam, seine Gedanken mit analytischen Blicken sezierten.
»Klar, warum nicht?« Walde sah sich neben sich stehen, hörte sich die gleichen Worte benutzen, die seine erste Freundin wählte, nachdem er, total verschossen und schon monatelang um sie werbend, es endlich geschafft hatte, sie zu fragen, ob sie mit ihm gehen wolle.
Er las die Namensschilder Siggi Baumeister, Kay Scarpetta und Salvatore Montalbano und seufzte tief.
Die zahlreichen Kameras und das dicke Bündel Mikrofone in Richtung Podium ließen Walde augenblicklich seine ganze Konzentrationskraft sammeln, als er auf dem freien Stuhl neben Monika Platz nahm. Die Pressesprecherin spulte routiniert die Begrüßung und anschließend die Details zum aktuellen Ermittlungsstand ab. Walde hörte ihr zu und wunderte sich über die Fülle von Informationen, die seine Kollegin in der kurzen Zeit, die ihr zwischen dem IPA-Treffen und dem Pressetermin geblieben war, zusammengetragen hatte.
Gleich nebenan, auf einem Tisch mit grüner Samtdecke, wurden der Andreas-Tragaltar und der Stein mit den Haaranhaftungen zur Schau gestellt, flankiert von Technikern, in deren Mitte Polizeipräsident Stiermann telegen lächelte.
»… nutzen den zahlenmäßig deutlich aufgestockten Polizeiapparat, um den öffentlichen Nahverkehr zu überwachen und rufen zurzeit über Rundfunk dazu auf, im Raum Trier keine Anhalter mitzunehmen.« Monika blinzelte zu den Presseleuten, von denen gegen das Scheinwerferlicht nur Konturen zu sehen waren. »Für Fragen steht Ihnen Kriminalhauptkommissar Waldemar Bock zur Verfügung.«
»Wo vermuten Sie die restliche Beute?« Der Mann stellte weder sein Medium noch sich selbst vor.
»Der Codex und das Nagelreliquiar«, Walde vermied den Begriff ›Heiliger Nagel‹, »sind weiterhin verschwunden. Es ist anzunehmen, dass der Flüchtige beide Objekte mit sich führt.« Er machte eine kurze Pause. Es war still im Raum. Deutlich war das Prasseln des vom Westwind getriebenen Regens an die Fensterscheiben zu hören. »Was unwiederbringliche Schäden an den kostbaren Malereien mit sich bringen könnte.«
*
Im Hintergrund tuschelten die drei Gastkollegen miteinander, während sich die Fotografen über die ausgestellten Exponate hermachten. Die Techniker mussten einige von ihnen ermahnen, Abstand zu halten. Einer machte sogar Anstalten, den Tisch in eine kamerafreundliche Position zu rücken.
Als Monika sich den drei Besuchern näherte, wurde sie sofort mit Fragen bestürmt. Walde hörte, wie die Pressesprecherin in souveränem Englisch die Übersetzungen Siggi Baumeisters komplettierte.
»Congratulation!« Die Amerikanerin mit den kurzen blonden Haaren drückte Walde die Hand und zeigte dabei ihre regelmäßigen Zähne. Nun wurde es für Walde ernst mit dem Englischen.
»Danke, Misses Scarpetta, oder wie soll ich Sie nennen?« Ein kurzer Blick in die Runde. Niemand zeigte eine Reaktion auf seinen ersten frei gesprochenen englischen Satz, wenn man einmal von den Auskünften absah, die er hin und wieder Touristen auf der Straße gab.
»Nennen Sie mich Kay.«
Waldes Frage zielte zwar darauf, den wirklichen Namen seiner Gesprächspartnerin zu erfahren, aber er fügte sich, zumal nun der als Siggi Baumeister Ausgewiesene ihn ebenfalls per Handschlag beglückwünschte.
»Dieser schnelle Erfolg konnte erst gar keine negativen Fragen bei der Presse aufkommen lassen. Auch toll, wie das Diebesgut präsentiert wurde.« Siggi Baumeister brachte seine Bewunderung im breitesten amerikanischen Akzent vor. So könnte sich Hemingways Stimme angehört haben, wenn er am Lagerfeuer von seinen Abenteuern erzählte, ging es Walde durch den Kopf.
»Bei uns in der Eifel wird ja höchstens mal ein Zuchtbulle oder eine Monstranz aus der Kirche gestohlen. So was Wertvolles wie den Codex und den Andreas-Dingsbums«, hier
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