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Codex Mosel

Titel: Codex Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Grabbe ein.
    »Dann sollten es auch die Fahrrad- und die Kanuverleiher entlang der Sauer sein«, sagte Gabi.
    »Im Ernst.« Grabbe versuchte Gabis Gesichtsausdruck zu ergründen. »Jedenfalls suchen wir die Nadel im Mist …, äh, im Strohhaufen«, korrigierte er sich. »Versuchen wir, so viele Strohhalme umzudrehen wie nur möglich.« Damit war er zur Tür hinaus.
    »War das Zeug in deinem Kopf nicht Heu?«, brummelte Gabi und fügte mit einem Blick auf das Baguette in Waldes Hand hinzu. »Das ist ja ekelhaft.«
    »Was?« Walde schob sich eine Gurkenscheibe von der Unterlippe in den Mund.
    »In aller Früh so was Widerliches zu essen.«
    »Schmeckt der Glimmstängel?«, erkundigte sich Walde.
    »Du hast doch vor ein paar Stunden noch selbst geraucht.«
    »Wie bitte?«
    »Tu doch nicht so«, regte sich Gabi auf. »Als du getanzt hast.«
    »Ich, getanzt?«
    »Auf dem Hocker in der Bar …«
    »… ich?«
    »Ja, du, mit nacktem Oberkörper, und deine Begleiterinnen haben dich mit Eiswürfeln eingerieben …«
    »… wie sollte das funktionieren während ich oben auf dem Barhocker gestanden habe?«
    »Nein, das war später auf dem Teppich.«
    »Welchem Teppich?«
    »Dem unter dem Tisch.«
    Auf Gabis Schreibtisch klingelte das Telefon. Walde hob ab. Bevor er etwas sagen konnte, kam ihm jemand am anderen Ende zuvor: »Ciao Bella!«
    »Hier ist höchstens der Bello.« Er stellte sich vor, wie Salvo mit diesem Gesäusel am Strand von Sizilien nordeuropäische Touristinnen einwickelte.
    »Vaffanculo.« Es wurde aufgelegt.
    »Wer war dran?«
    »Falls es keine Parodie auf einen Papagallo …«
    »… Salvo?«, fragte Gabi.
    »Wie viele Italiener hast du denn letzte Nacht kennen gelernt?«
    »Ich dachte, ich hätte ihm meine Privatnummer gegeben.«
    »Wann und wo?«
    »Das geht dich gar nichts an.«
    Waldes Nase lief. Auf der Suche nach einem Taschentuch fasste er in sein Jackett und ertastete einen Zettel. Es war ein weißer Parkschein, den er zerknüllte und in hohem Bogen in Richtung Papierkorb warf – daneben. Seufzend bückte er sich danach und entdeckte handgeschriebene Buchstaben darauf. Er faltete den Zettel auseinander und las:,Ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung.’
    Wie kam dieser Zettel in seine Jackentasche?
    »Ist dir schlecht?«
    »Warum?«
    »Du siehst so grau aus.«
    Er reichte ihr den Zettel.
    »Hört sich nach Altem Testament an.« Gabi setzte sich an ihren Rechner.
    »Moment.« Ihre langen Fingernägel hackten wie Raubvogelschnäbel auf die Tastatur. »Nein, es ist aus dem Neuen.« Sie griff nach ihrer Zigarette, die im Aschenbecher lag. »Das ist aus dem Paulus-Brief an die Hebräer, 9, 22.« Beim Vorlesen blies sie ihm Rauch entgegen.
    »Mist, die hing letzte Nacht draußen.« Walde erinnerte sich, dass er die Jacke am Morgen hereingeholt hatte.
    »Ich muss nach Hause!«
     
    Gabi hatte sich mit dem Hinweis auf Waldes Restalkohol angeboten, ihn zu fahren.
    »Jetzt weiß ich, wie sich Grabbe fühlt«, sagte Walde, als Gabi die Kurve in die Bruchhausenstraße zu schnell nahm. »Wie sieht es eigentlich mit deinen Promillewerten aus?«
    »Keine Bange, alles im grünen Bereich.« Sie überholte einen Lieferwagen, scherte knapp vor ihm ein, um in die Franz-Ludwig-Straße abzubiegen. Hinter ihnen hupte es. Gabi ließ die Seitenscheibe herunter.
    »Lass es, bitte«, flehte Walde.
    Gabis ausgestreckter Mittelfinger zog sich wieder zurück.
    »Was hat es mit dem Bibelspruch auf dem Zettel auf sich?« Sie langte in die Handtasche, die sie Walde auf den Schoß gestellt hatte. Statt mit der befürchteten Zigarettenschachtel kam ihre Hand mit einem Lippenstift heraus.
    »Ich fürchte, dieser Veit hat mir den Zettel in die Tasche gesteckt.«
    »Wie bitte?«
    »Er war in der Nacht an meiner Haustür.«
    »Und da hat er …«
    »… nein, er muss auch noch im Garten gewesen sein.«
    »Das wird ja immer besser.« Gabi hielt vor Waldes Haus. »Hast du ihn festgenommen?«
    »Nein.«
    »Wie konnte er fliehen?«
    »Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich ihm entkommen bin.«
    »Hast du Verstärkung gerufen?«
    »Nein, ich hab’s … irgendwie hab ich es vergessen.«
    Gabi klappte den Spiegel an ihrer Sonnenblende auf und zog sich die Lippen nach.
     
    Während Walde klingelte, blieb Gabi im Auto zurück. Niemand öffnete. Diesmal fand er auf Anhieb das Schlüsselloch, lief durch alle Räume. Die Küche war aufgeräumt, kein Geschirr stand auf der Spüle. Die Betten waren gemacht. Jetzt fiel ihm ein, dass er letzte

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