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Codex Mosel

Titel: Codex Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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ablenken.
    »Stimmt es, dass du in der Schule nur neben mir gesessen hast, um bei mir abzuschreiben?«
    »Bei deiner Sauklaue?«
    »Ich hatte vor, Medizin zu studieren und schon mal für die unleserlichen Rezepte geübt.«
    Walde brauchte augenblicklich eine Kopfschmerztablette, und wenn er den Polizeipräsidenten um Aspirin bitten musste.
    »Errare humanum est«, fuhr Jo fort.
    »Jedenfalls hab ich wegen dem blöden Latein zu wenig für mein Englisch getan.« Womit Walde erneut an den vorigen Abend erinnert wurde.
    »Du hättest Wasser trinken sollen!«
    »Bei einer Weinprobe, so wie dieser Baumeister?«
    »Ich meine zwischendurch.«
    »Dafür ist es jetzt zu spät.«
    »Magst du?« Jo hielt ihm einen Blister mit Aspirin wie Kaugummi hin.
    Walde drückte sich zwei Tabletten heraus und spülte sie mit einem Rest abgestandenem Mineralwasser hinunter. Dann schleppte er sich, seinen Schreibtischstuhl hinter sich herziehend, zum Fenster zurück.
    »Was habt ihr anschließend noch gemacht, du und Anne?«, fragte Jo.
    »Hanne«, verbesserte Walde. »Wir sind zum Hotel, also zur Bar.«
    »Du weißt, wie gern ich Doris habe.« Jo schaute ihm eine Weile in die Augen und legte wie zum Trost eine Hand auf Waldes Oberarm. »Bei der hätte ich vielleicht auch meinen inneren Schweinehund von der Leine gelassen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Vielleicht hätte sich mein innerer Schweinehund auch losgerissen. Bei so einer Frau hält auch die beste Kette nicht.«
    »Ich habe meinem inneren Schweinehund weder Auslauf gegeben, noch hat er sich losgerissen.«
    »Spürst du denn so was nicht?«
    »Was?«
    »Ein schlechtes Gewissen, Doris gegenüber?«
    »Das brauche ich nicht zu haben«, sagte Walde.
    Er grübelte. Da war die Bar, der Wein, die Bruderschaft. Gabi und Salvo waren gegangen, Siggi Baumeister und Erich Van Veeteren hatten ihre Partie beendet … oder waren sie noch zu dem Zeitpunkt anwesend, als er mit Hanne …
    »Was guckst du denn so?«, fragte Jo.
    »Wie guck ich denn?«
    »Ich seh doch, wenn du lügst.«
    »Ich weiß wirklich nicht mehr so genau, was war.«
    »Hat er sich jetzt losgerissen oder hast du ihm Auslauf gegeben?«
    »Wem?«
    »Deinem Schweinehund.«
    »Was machst du eigentlich hier?« Walde sah auf die Uhr.
    »Luxemburgtour, ich warte auf Monika.«
    »Ihr duzt euch?«
    »Eine Bruderschaft ist bei mir am nächsten Tag nicht vergessen. Wie spät ist es?«
    Walde musste nochmals auf seine Uhr schauen. »Gleich halb neun. Vielleicht ist sie ja schon da.« Er wollte einfach nur beim Sterben allein sein.
    »Ich schau mal nach.« Jo ließ die letzten zehn Zentimeter seines Baguettes auf dem Schreibtisch liegen. Walde verschränkte die Arme auf der Fensterbank und stützte die Stirn darauf.
    Das Telefon läutete. Walde schreckte hoch.
    »Ja?« Sein Mund war ausgetrocknet.
    »Bist du auch schon da?« Gabis Stimme klang vorwurfsvoll.
    »Ich bin schon …«, er schaute auf seine Armbanduhr und konnte es nicht glauben, zwanzig nach neun, »… schon länger da. Ich komme zu dir rüber.«
    Er trank den Rest des Wassers und griff nach dem Baguette. Behutsam klappte er es auf und betrachtete die Scheiben von Tomaten, Gurken und Eiern auf gekochtem Schinken. Krümel fielen auf den Boden, als er das knusprige Brot anknabberte. Das Pochen in seinen Schläfen war einem Druck gewichen, als habe er zwei zu stark gespannte Kopfhörer darauf sitzen.
     
    Grabbe war im Begriff, den Raum zu verlassen und blieb in der Tür stehen, als Walde eintrat. Gabi rauchte am offenen Fenster. Sie trug eine dicht anliegende Sonnenbrille, wie sie sie gewöhnlich in ihrem Cabrio trug.
    »Was ist denn das?« Walde deutete auf den dicken Stapel Papier, den Grabbe unter dem Arm trug.
    »Monika kann heute in einem Aufwasch mit dem Besuch bei der Luxemburger Polizei eine Bitte um Amtshilfe verknüpfen. Die Kollegen sollen alle Banken im Ländchen überprüfen, ob jemand am Dienstag etwas in einem Sachwertdepot hinterlegt hat.«
    »Ist das nicht zu dünn? Müssen wir da nicht etwas konkreter werden?«, fragte Walde.
    »Einen Namen haben wir leider nicht.« Grabbe klopfte auf den Packen Papier unter seinem Arm. »Aber die Phantomzeichnungen könnten weiterhelfen. Ich hab Kopien anfertigen lassen.«
    »Ich weiß, dass es drüben viele Banken gibt, aber so viele?« Walde deutete auf den Stapel.
    »Jedenfalls noch mehr, als du denkst«, sagte Gabi. »Und die Bahnhöfe, Autovermietungen, der Flughafen … hab ich was vergessen?«
    »Bootsverleiher?«, warf

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