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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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alter Mann, den ich nie zuvor gesehen hatte, mit braunfleckiger Glatze, die von zottigen Haarsträhnen umrahmt war, mit blutleeren, ausgemergelten Wangen und einer mächtigen Adlernase.
    Er blickte in den Spiegel, und einen Augenblick konnte ich in seine schwarzen, grausamen Augen sehen.
    Und er sah mich ebenfalls.
    Er deutete im Spiegel auf mich und stieß einen zeternden Schrei aus.
    Ich schrak zusammen und machte mich unverzüglich daran, die Strickleiter wieder hochzuklettern. Als ich einen Blick nach unten warf, erschien gerade Joachim von Orlepps Kopf im Fenster, er sah zu mir hoch und zog den Kopf gleich zurück. Ich flog die Strickleiter hoch und war in Windeseile wieder an Deck. Ich ließ die Leiter einfach hängen, stürmte ein paar Stufen nach unten und durch eine Tür nach drinnen, eine Treppe hinunter und durch eine weitere Tür, und ehe ich mich versah, befand ich mich im Rauchsalon, wo morgens die Pressekonferenz stattgefunden hatte.
    Ich durchquerte ihn ganz gemächlich und versuchte, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich beschleunigte meine Schritte auf dem Weg durch den Speisesaal und hatte den Eingangsbereich erreicht, als ich sah, dass die Kellner ihr Augenmerk auf mich richteten. Es war nur zu offensichtlich, dass ich da nichts zu suchen hatte. Und wieder rannte ich oder besser gesagt sprang ich weiter nach unten, bis ich den Gepäckaufbewahrungsraum wiederfand. Dort verbarg ich mich, zu Tode erschrocken, und wagte nicht, mich zu rühren.
    Sie waren also an Bord, Joachim von Orlepp, Helmut und dann noch dieser Greis, den ich nicht kannte und der seine Hand auf die verschollenen Seiten gelegt hatte, als gehörten sie ihm. Noch nie in meinem Leben hatte ich einen so widerwärtigen Gesichtsausdruck gesehen wie dort im Spiegel, als er mich bemerkt hatte, und mir lief ein Schauder den Rücken herunter, als ich an das Gezeter dachte, das er ausgestoßen hatte.
    Ich weiß nicht, wie viel Zeit verstrich. Ich wusste beim besten Willen nicht, was als Nächstes zu tun war. Der Professor hatte die ganze Zeit das Kommando gehabt, und jetzt, wo er nicht mehr da war, wusste ich nicht, was weiter von mir erwartete wurde. Wieder spielte ich mit dem Gedanken, den Kapitän über alles zu informieren, aber ich zögerte, denn ich war mir nicht ganz sicher. Der Professor wollte die Angelegenheit ohne Einbeziehung anderer regeln, zumindest bis der Codex Regius wieder in unseren Händen war. Er hatte vorgehabt, noch einmal mit Sigmundur zu sprechen. Ich wusste nicht, was er gemeint hatte, als er sagte, er wolle versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen. Als ich an Sigmundurs Kabine angeklopft hatte, hatte niemand geantwortet. Das Einzige, was mir nun einfiel, war, es noch einmal bei ihm zu versuchen.
    In dieser Absicht schlich ich wieder aus dem Gepäckraum. Die Kabinen von Sigmundur und Joachim von Orlepp befanden sich auf demselben Gang, und ich stand zunächst zögernd an Deck, entschloss mich aber dann doch, es bei Sigmundur zu versuchen. Auch wenn ich Gefahr lief, Joachim von Orlepp und Helmut zu begegnen.
    Ich klopfte leise an, aber genau wie zuvor erfolgte keine Reaktion.
    Ich klopfte noch einmal fester, fasste dann an den Türknauf und rüttelte daran. Ich legte das Ohr an die Tür und glaubte, drinnen irgendwelche Geräusche zu hören. Ich klopfte ein weiteres Mal und flüsterte Sigmundurs Namen. Wieder hörte ich Geräusche und ein dumpfes Stöhnen, und schließlich gab es von innen einen dumpfen Schlag an der Tür.
    Ich nahm Anlauf und warf mich mit meinem ganzen Gewicht gegen die Tür. Sie gab sofort nach, und ich stürzte in die Kabine. Als ich wieder aufstand, sah ich, dass Sigmundur, an Händen und Füßen gefesselt, im Bett lag. Eswar ihm gelungen, mit den Füßen gegen die Tür zu treten, und das hatte ich gehört. Sigmundur starrte mich an und gab irgendwelche Laute von sich, die bestimmt Verwünschungen waren, aber sie waren nicht zu verstehen, weil er einen Knebel im Mund hatte.
    Ich nahm ihm den Knebel ab, und er holte tief Luft.
    »Dieser verfluchte Professor!«, schrie er. »Wo ist er? Wo ist der Scheißkerl?«
    In Sigmundurs Kabine herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Es sah aus wie nach einem Bombenangriff. Eine der Cognacflaschen war zu Boden gegangen, und die ganze Kabine stank nach Alkohol. Hinter dem Bett befand sich eine doppelte Wand, die aufgebrochen worden war. Schnapsflaschen und Zigarettenstangen lagen überall verstreut.
    »Was ist das denn?«, fragte ich und deutete auf das Zeug. »Das

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