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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Einrichtung bestand aus einer Pritsche und einer Waschschüssel, und in der Ecke stand ein Eimer, von dem ich hoffte, dass wir ihn nicht benutzen mussten. Eine Stahltür fiel geräuschvoll hinter uns ins Schloss, und im gleichen Augenblick ging das Licht in der Zelle aus. Die Vopos hatten uns sorgfältig durchsucht unduns Krawatten, Gürtel und Schnürsenkel weggenommen. Es gab kein Fenster in der Zelle, und wir würden nicht wissen, wann der neue Tag anbrach.
    Ich tastete mich zu der Pritsche vor und ließ mich darauf nieder. Der Professor folgte mir und setzte sich an meine Seite. Wir saßen lange schweigend da, und ich dachte daran, was meine Tante wohl von alldem halten würde und ob ich sie jemals wiedersehen würde. Ich hatte Heimweh und stand kurz davor, in Tränen auszubrechen. Die Verhältnisse in dieser engen Zelle waren unter aller Würde, und der Gestank darin war unbeschreiblich. Wir waren auf die Gnade und Barmherzigkeit irgendwelcher Menschen angewiesen, von denen wir nicht wussten, wer sie waren, und wir hatten nicht die geringste Vorstellung, was uns erwartete. Wir hatten nachweislich gegen das Gesetz verstoßen, daran bestand kein Zweifel, und dafür mussten wir bestraft werden. In welcher Form, war nicht abzusehen, doch ich befürchtete das Schlimmste, wahrscheinlich würden wir sogar im Gefängnis landen, denn es war wohl kaum damit zu rechnen, dass wir nur mit einer Geldstrafe davonkommen würden. Der Professor hatte verlangt, ein Telefongespräch nach Kopenhagen führen zu dürfen, er behauptete, ein Recht darauf zu haben, aber der Vorgesetzte schüttelte nur den Kopf. Der Professor hatte ebenfalls Anspruch auf einen Rechtsbeistand erhoben.
    »Darüber habe ich nicht zu bestimmen«, erklärte der Mann. »Ihr bleibt heute Nacht hier.«
    Und da saßen wir, der Professor und sein Student, und fühlten uns hundeelend. Der Professor schien zu spüren, wie es mir ging. Er legte seinen Arm um meine Schultern und versuchte, mich zu beruhigen.
    »Das wird schon alles wieder, Valdemar«, sagte er im Dunkeln. »Sie können uns nichts anhaben und lassen uns morgen früh frei. Glaub mir. Wir nehmen uns einen Rechtsanwalt,ich werde morgen früh telefonieren, und wir bezahlen, was immer uns aufgebrummt wird. Mach dir keine Sorgen. In ein paar Tagen sind wir wieder in Kopenhagen. Sie werden wohl kaum ein Drama wegen … wegen …«
    »Wegen Grabplünderung machen? Gibt es ein schlimmeres Verbrechen? Höchstens Mord!«
    »Grabplünderung ist vielleicht ein ziemlich starkes Wort in diesem Zusammenhang«, sagte der Professor.
    »Wir hatten sie in der Hand, die verschollenen Seiten aus der Lücke«, sagte ich.
    »Ja, und wir haben sie wieder verloren.«
    »Du hast sie zumindest gesehen.«
    »Das ist wahr. Das war … Das war ein unbezahlbarer Augenblick …«
    Irgendwo fiel eine Tür ins Schloss. Wir hörten ein Auto davonfahren.
    »Was wird hier aus uns?«, stöhnte ich nach einer Weile.
    »Ich weiß es nicht, mein Freund.«
    »Was können sie uns tun?«
    »Es wird sich schon alles regeln, vertrau mir.«
    »Genau darum geht es. Das habe ich getan, ich habe dir vertraut. Und jetzt sitze ich hier in einem Gefängnis in einer wildfremden Stadt, von der ich vor ein paar Tagen nicht einmal wusste, dass sie existiert.«
    »Das weiß ich, lieber Valdemar, und ich bringe uns schon wieder hier heraus, darauf kannst du dich verlassen. Eines Tages werden wir uns darüber amüsieren, das verspreche ich dir.«
    Sein Griff um meine Schultern wurde fester, und so saßen wir eine ganze Weile im Dunkeln und waren von seltsamer Stille umgeben. Ich hatte das Gefühl zu ersticken. Ich kam mir jetzt selbst so eingemauert vor wie Ronald D. Jörgensen in seiner Grabkammer. Alle hatten uns vergessen, wir waren in einer hoffnungslosen Lage.
    In dieser stinkigen Gefängniszelle hörte ich dann die unglaublichste Geschichte, die mir je im Leben zu Ohren gekommen ist. Ich weiß nicht, warum er mir das dort im Finsteren erzählte. Er hatte es zehn Jahre lang für sich behalten, aber es hatte ihn all diese Jahre tagtäglich gequält und ihm das Leben manchmal zur Hölle gemacht. Ein solches Geheimnis ganz allein mit sich herumzutragen schien übermenschlich; und gewiss überstieg es die Vorstellungskraft, dass jemand so etwas wie einen bösen Spuk in sich verschließen konnte, wissend, dass die Geheimhaltung mit jedem Jahr schwieriger werden würde. Im Grunde genommen war es unbegreiflich, dass er das Geheimnis so lange hatte wahren können,

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