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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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vergessen für alle.
    »Und wer war das?«, entschloss ich mich endlich, den Professor zu fragen.
    »Was hast du gesagt, Valdemar?«, fragte er zurück.
    »Der Mann, der da zu euch in das Zimmer kam, wer war das?«
    »Ein Teufel in Menschengestalt«, antwortete der Professor sehr leise.
    Mehr sagte er nicht, und wieder lasteten Stille und Dunkelheit auf uns. Irgendwo in der Ferne hörte man, wie eine Tür geöffnet und zugeschlagen wurde, und als Nächstes leise Schritte, die immer lauter wurden, je näher sie kamen. Vor der Tür zu unserer Zelle hielten sie an, und wir hörten, wie jemand draußen an der Stahltür hantierte. Die kleine runde Klappe, die ein Guckloch aus dickem Glas verdeckte, wurde weggeschoben, und ein Lichtstrahl vom Gang bohrte sich in das Dunkel unserer Zelle. In seinem schwachen Schein sah ich, dass der Professor mit dem Rückenzur dreckigen Wand lag. Der Lichtstrahl tanzte eine Weile in der Finsternis, dann wurde die Klappe wieder vorgeschoben. Wir hörten, wie sich die Schritte auf dem Gang entfernten, eine Tür klappte zu, und wieder senkte sich das Schweigen über uns, genauso undurchdringlich wie die Dunkelheit.
    »Was war das?«, fragte ich.
    »Eine kleine Abwechslung«, antwortete der Professor.
    »Willst du nicht mit deiner Geschichte fortfahren?«, fragte ich nach einiger Zeit vorsichtig.
    »Ich weiß nicht, Valdemar, es ist alles andere als eine unterhaltsame Geschichte.«
    »Du kannst doch nicht einfach mittendrin aufhören«, sagte ich in die Finsternis hinein. Ich konnte den Professor nicht sehen, aber ich spürte seine Nähe, den Geruch von Schnupftabak, und im Geiste sah ich die wirren Haare und seine von Trauer gezeichneten Züge vor mir.
    »Ich war nicht darauf gefasst, ihm dort zu begegnen«, sagte er schließlich und fuhr mit seiner Erzählung über das, was im Shell-Gebäude geschehen war, fort.
    Der Professor starrte den Mann an und konnte sich nicht vorstellen, was ihn ins Hauptquartier der Geheimen Staatspolizei geführt hatte. Er hatte seinen ehemaligen Kommilitonen Erich von Orlepp, den Runenexperten, Kunsthändler und Okkultisten, der eine einflussreiche Position in der NSDAP innehatte, jahrelang nicht gesehen, doch dann war er vor einigen Monaten urplötzlich in Kopenhagen aufgetaucht. Er hatte denselben verbissenen Gesichtsausdruck wie zu Studienzeiten, als er versuchte, sich mit seinem isländischen Kommilitonen anzufreunden.
    »Ich hatte etwas in Kopenhagen zu erledigen, und bei der Gelegenheit kam mir zu Ohren, dass man Sie festgenommen hat«, sagte von Orlepp so zwanglos, als sei er gerade inein Kaffeekränzchen hereingeplatzt. Er siezte den Professor mit übertriebener Höflichkeit, was dem Professor keineswegs entging. Erich von Orlepp war schon immer durch und durch falsch gewesen. Er schmeichelte sich bei Leuten ein, falls er sich irgendeinen Nutzen davon versprach, und wenn das geschehen war oder wenn sich herausgestellt hatte, dass er keinen Nutzen aus ihnen ziehen konnte, ließ er sie fallen.
    Kurt fing an, die Riemen zu lösen. Erich von Orlepp war in Zivil, genau wie die beiden Gestapo-Beamten, und trug keinerlei Rangabzeichen. Der Professor wusste allerdings, dass er über Jahre hinweg eine hohe Position in der Nazi-Hierarchie innegehabt hatte. In dieser Funktion war er bei seinem letzten Besuch in Kopenhagen bei dem Professor vorstellig geworden und hatte sich eingehend nach dem Codex Regius erkundigt. Er wusste natürlich, dass die Handschrift in Kopenhagen aufbewahrt wurde. Als er sie jedoch in der Königlichen Bibliothek einsehen wollte, wurde ihm gesagt, dass sie außer Haus sei, und er erhielt nur sehr nebulöse Auskünfte darüber, wo sie sich im Augenblick befände. Der Professor sagte von Orlepp nicht, dass er vor kurzer Zeit ein umfangreiches Forschungsprojekt in Angriff genommen hatte, weil er eine neue Ausgabe der Handschrift plante, und sie zu diesem Zweck an einem sicheren Platz im Arnamagnäanischen Institut aufbewahrte. Nach diesem Besuch war der Professor noch einmal ins Institut gegangen, um das kostbare Manuskript aus Angst vor der Raffgier dieses Mannes an einem noch geheimeren Ort zu verstecken. Er wusste, dass sie in allen besetzten Ländern Kunstschätze raubten und nach Deutschland überführten.
    »Hoffentlich wurden Sie hier gut behandelt«, sagte von Orlepp jetzt und sah mit strenger Miene zu den beiden Gestapo-Männern hinüber.
    »Ich kann nicht klagen«, entgegnete der Professor.
    »Das hoffe ich doch sehr«, sagte von

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