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Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers

Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers

Titel: Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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begannen, in seinen Schlaf einzudringen und ihn langsam zu wecken, spürte Jaryd, dass er beobachtet wurde. Er versuchte wach zu werden und hoffte, dass das Gefühl dabei verschwinden würde wie ein Traum. Aber als das Singen der Vögel und das Geräusch von Wasser, das von den Zweigen tropfte, klarer wurde, verstärkte sich das Gefühl nur noch. Jaryd musste plötzlich an die Banditen denken und riss rasch die Augen auf. Er bemerkte, dass er mit Tau bedeckt war. Das Feuer, das er am Abend zuvor heraufbeschworen hatte, war niedergebrannt. Strahlen frühen Sonnenlichts fielen durch den Nebel und die Bäume, und kleine Vögel schwatzten laut und flogen zwischen den Fichtenästen hin und her. Jaryd setzte sich auf und schaute zum Fluss, und dann erstarrte er. Keine zehn Fuß von ihm entfernt hockte auf einem Baumstumpf ein großer schiefergrauer Falke mit einem hellen Bauch und lebhaften roten Augen, legte den Kopf leicht schief und sah ihn an. »Amarids Falke!«, hauchte Jaryd und konnte noch nicht so recht glauben, was er sah.
    Das war für einige Zeit sein letzter klarer Gedanke, denn im nächsten Augenblick wurde sein Geist überflutet von einem verwirrenden Strom scheinbar zufälliger Wahrnehmungen und Gedanken, einige wild und Schwindel erregend, andere so fremd, dass Jaryd in ihnen nichts anderes als eine vage Emotion erkennen konnte. Einmal sah er dasselbe Bild seiner selbst wie am Abend zuvor, als er das Holz entzündet hatte, und dann schien die Vision zu verblassen, und plötzlich sah er sich, wie er in diesem Augenblick dasaß, starrte sich selbst an, und seine Züge wirkten ein wenig seltsam und verzerrt. Und als die Bilder weiter in seinen Kopf strömten, spürte er auch noch etwas anderes: eine Präsenz in seinem Geist, ähnlich der, die er am Vorabend gespürt hatte, aber viel, viel stärker. Es war, als griffe etwas nach ihm, zwänge ihn, seine Gedanken zu teilen. Ohne es zu wollen, rein instinktiv, aber mit Hilfe der Techniken, die er bei Badens Übungen gelernt hatte, erwiderte er die Gedanken.
    Baden hatte ihn vor den Schwierigkeiten, ja sogar Gefahren gewarnt, die darin lagen, den Geist mit einem wilden Tier zu teilen, aber bis zu diesem Augenblick hatte Jaryd nicht wirklich verstanden, was er damit gemeint hatte. Die ersten Bilder, die der Falke ausgesandt hatte, hatten ihn mit ihrer Flüssigkeit und Schnelle verblüfft. Aber mit der Verbindung, die Jaryd und der Vogel in diesem Augenblick hatten, kam auch eine Flutwelle von Gedanken, Erinnerungen, Wahrnehmungen und Gefühlen, die drohte, Jaryds Sinn für Realität einfach wegzuspülen. Abrupt hatte er das Gefühl zu fliegen, schoss mit erstaunlicher Geschwindigkeit zwischen Ästen und Baumstämmen hindurch, wechselte die Richtung mit einer knappen Bewegung von Flügeln oder Schwanz. Dann zerriss er gierig den noch warmen Kadaver eines Hähers, gleichzeitig entzückt und angewidert von dem heißen Blut, das über seinen Schnabel und die Krallen floss. Abermals fliegend, zog er seine Krallen zusammen und stürzte sich auf einen großen braunen Falken, kaum imstande, seinen Zorn zu beherrschen, der ihn trieb, dem anderen Vogel zu folgen. Während all dem klammerte sich Jaryd an den letzten Rest seines Verstandes, kämpfte gegen die Flutwelle an, versuchte, den auf ihn einströmenden chaotischen Gedanken so etwas wie Ordnung aufzuzwingen. Er spürte, dass er mehr Vogel als Mensch war; er hatte das Gefühl zu ertrinken. Wieder flog er, stürzte sich auf seine Beute, zerriss einen anderen Kadaver, schmeckte das Blut und das Fleisch. Und in einer weit entfernten Ecke seines Geistes, mit dem letzten verbleibenden Rest seiner eigenen Identität, spürte Jaryd, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. Überwältigt von seiner Verbindung zu dem Vogel, aber auch voller Angst, sie zu brechen, falls er sich übergeben sollte, kämpfte Jaryd gegen diesen Drang an und schluckte die Galle, die ihm in die Kehle stieg, wieder herunter.
    Und mit dieser Anstrengung, mit diesem letzten verzweifelten Begreifen seines eigenen Geistes, hörte er abermals die Worte, die Baden an ihrem ersten Abend der Reise, damals in Leoras Wald, gesagt hatte: »Du musst lernen, dem Vogel deinen Geist zu öffnen, während du gleichzeitig die Klarheit deines eigenen Bewusstseins bewahrst.« Und wieder flog er, schoss abwärts, und langsam begann er zu begreifen. Er nahm die Bilder an, wie der Falke sie ihm schickte, und versuchte nicht mehr, ihnen seine eigenen Vorstellungen von Zeit und

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