Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
widerstrebend, und der Magier hatte seinen Stab in der Hand behalten und sie gefragt, wer sie seien und warum sie gekommen waren. Selbst als Calbyr die Fragen beantwortete und dabei alle Worte in der fremden Sprache sorgfältig wählte, um nicht zu viel zu verraten, war ihm klar gewesen, welches Glück er und seine Männer gehabt hatten. An Tonfall und Haltung des Magiers war schnell deutlich geworden, dass er sie nicht töten oder ins Gefängnis werfen würde. Er hatte Calbyr mit der Haltung eines Mannes zugehört, der versucht, die Qualität einer neu erworbenen Waffe einzuschätzen. Und in diesen wenigen Minuten auf dieser Lichtung, die nur von den blutroten Steinen seiner Männer und dem strahlend gelben Kristall des Magiers beleuchtet war, hatten sie eine Allianz geschmiedet. Eine unsichere Allianz, die durch die Feindseligkeit, die schnell Calbyrs Verhandlungen mit dem Sohn Amarids trübte, noch schwieriger wurde, aber geboren aus einer Notwendigkeit, von der beide gleichermaßen getrieben wurden.
Diese Allianz hatte Calbyr im vergangenen Jahr gut gedient, daran bestand kein Zweifel. Aber in Zeiten wie diesen, wenn der Magier ihn warten ließ oder ihn mit der Arroganz und Verachtung ansprach, die ihm offenbar so leicht fiel, störte Calbyr seine wachsende Abhängigkeit von dem Mann. Sich in seiner Nähe unbehaglich zu fühlen war eine Sache, aber ihn derart zu brauchen ... Calbyr schüttelte den Kopf. Wenn alles erledigt ist, versprach er sich grimmig, dann werde ich ihn töten.
Der Gedanke erfreute ihn, und als er schließlich zwischen den Bäumen den weichen gelben Schein des Cerylls bemerkte, stellte er befriedigt fest, dass er vollkommen ruhig blieb.
»Er kommt«, verkündete Calbyr.
Sofort beendeten die anderen auf der Lichtung ihrer Gespräche und erhoben sich. Einen Augenblick später stand der Magier vor Calbyr, und das Leuchten seines Cerylls mischte sich mit den roten Kristallen der anderen und versah die Lichtung mit einem seltsam orangefarbenen Schimmern. Sein Vogel wirkte vergleichsweise klein und hell, als er sich auf der Lichtung umsah und die schwarzen Geschöpfe auf den Schultern Calbyrs und seiner Männer anzischte.
»Dein Vogel scheint Angst zu haben, Sohn Amarids«, sagte Calbyr mit einer Spur von Spott. »Machen wir euch beide nervös?«
»Du verwechselst Abscheu mit Angst, Calbyr«, erwiderte der Magier eisig. »Solche Fehler können gefährlich sein.« Er gestattete sich ein Lächeln und kraulte seinen Vogel sanft am Kinn. »Außerdem kann man es meiner Vertrauten nicht übel nehmen; sie zieht die Gesellschaft echter Vögel eben vor.«
»Und was ist mit dir?«, fragte Calbyr im selben Ton. »Bevorzugst du die Gesellschaft echter Magier?«
Wieder lächelte der Magier, obwohl in seinem Blick keine Spur von Heiterkeit lag. »Ich ziehe es vor, allein zu arbeiten.«
Sie standen einige Zeit schweigend da und starrten einander wütend an, und der Raum zwischen ihnen schien von ihrer Feindseligkeit wie aufgeladen.
Schließlich brach Calbyr den Blickkontakt. »Nun, welche Neuigkeiten bringst du von der Versammlung?«
»Ich habe gute Nachrichten«, erwiderte der Magier selbstzufrieden.
»Unsere Arbeit zeigt Wirkung?«
»O ja. Der Orden ist besorgt; die Sitzung heute war die turbulenteste, die ich je in der Großen Halle erlebt habe. Ein Magier hat den anderen angeklagt; Falkenmagier und Eulenmeister sind einander beinahe an die Kehle gegangen. Ich muss sagen, ich fand es recht amüsant.«
»Wie schön für dich, dass du Unterhaltung hattest«, bemerkte Calbyr trocken.
Der Magier hob einen Finger. »Ah, aber das Beste habe ich noch gar nicht erzählt«, sagte er, und ein boshaftes Lächeln breitete sich über seine Züge aus. »Dank Baden werden sie nun tatsächlich anfangen, Geister zu jagen.«
»Das begreife ich nicht.«
»Baden glaubt, dass eure Angriffe auf den unbehausten Geist Therons zurückzuführen sind«, erklärte der Magier, der seine Freude darüber kaum verbergen konnte. »Und ich glaube, es ist ihm gelungen, viele andere ebenfalls davon zu überzeugen.«
»Theron«, wiederholte Calbyr, als versuchte er sich zu erinnern, woher er den Namen kannte.
»Selbstverständlich begreifst du das nicht«, sagte der Magier ungeduldig. »Ich vergesse manchmal, dass du nicht aus Tobyn-Ser stammst. Also hör zu und lerne.« Der Magier erklärte rasch die Geschichte und Bedeutung von Therons Fluch und das Schicksal der Unbehausten. »Wenn Baden den Orden tatsächlich überzeugen
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