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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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fragend an, während sie sich
langsam ein Stück Rote Beete zwischen die Zähne schob.
    »Das war Lindsay«, erklärte
ich ihr. »Aus dem Chefbüro. Hält ein Auge auf den Fortschritt meiner Reise.«
    »Oder den Mangel an
Fortschritt«, sagte Alison.
    Ich lächelte. »Na ja, es gab
da schon ein paar Verzögerungen«, räumte ich ein. »Gestern hab ich Caroline
wiedergesehen. Zum ersten Mal, seit sie ... fortgegangen ist.«
    »Und wie war das?«
    Diesmal kam das Wort ganz von
allein. »Schmerzhaft.«
    Zum zweiten Mal an diesem
Abend berührte Alison mich; diesmal legte sie ihre Hand sanft auf meine.
    »Armer Max. Magst du mit mir
darüber reden? Warum sie fortgegangen ist, meine ich. Ein paar Dinge hab ich
gehört, aber ich weiß nicht, ob sie stimmen.«
    »Was hast du gehört? Von wem?«
    »Von Chris, das meiste. Er hat
gesagt, als sie vor ein paar Jahren mit euch in den Ferien waren, wäre die
Stimmung ... na ja, ein bisschen angespannt gewesen.«
    »Das stimmt. Es war kein sehr
gelungener Urlaub. Es ging so ziemlich alles schief. Joe hatte diesen bösen
Unfall, und ...«
    »Ich weiß, Chris hat mir davon
erzählt.«
    »Ich glaube, irgendwie hat er
mir die Schuld daran gegeben. Jedenfalls haben wir seitdem nicht mehr
miteinander geredet.«
    »Ja, das hat er gesagt.« Ihre
Stimme wurde leiser, ernster. »Sag mal, Max, könntet ihr euch nicht aussöhnen,
Caroline und du? Jeder macht mal schlechte Zeiten durch.«
    »Ist das so?«
    »Natürlich. Philip und ich auch gerade.«
    »Tatsächlich? Inwiefern?«
    »Ach, er ist ständig auf
Reisen. Und wenn er hier ist, redet er kaum mit mir. Ist mit den Gedanken nur
bei der Arbeit. Die Firma ist sein Ein und Alles. Aber das habe ich gewusst,
als ich ihn heiratete. Es war Teil des Deals, und wenn man es mal vom rein
materiellen Standpunkt sieht, habe ich nicht schlecht davon profitiert. Man muss
Kompromisse machen. Manchmal muss man sich ... mit gewissen Dingen abfinden.
Jeder muss das. Und wenn ihr es auch so sehen könntet? Ich meine - es ist doch
keiner dem anderen untreu geworden, oder?«
    »Nein, das nicht. Wenn es nur
darum ginge, wäre alles wohl viel einfacher gewesen.«
    »Und worum ging es?«
    Ich trank einen Schluck Wein -
einen großen Schluck -, während ich über eine Antwort nachdachte.
    »Bevor sie ging, hat sie etwas
zu mir gesagt. Ich selber sei das Problem. Meine Einstellung zu mir. Dass ich
mich selber nicht mag, hat sie gesagt. Und wenn man sich selber nicht mag,
macht man es anderen Menschen schwer, einen zu mögen. Weil das negative Energie
erzeugt.«
    Bevor Alison darauf antworten
konnte, kamen unsere Hauptgerichte. Ihr Filet John Dory sah neben meiner
blutroten Scheibe Wildbret blass und zart aus. Wir bestellten noch eine Flasche
Wein.
    »Dann kann ich nicht mehr
fahren«, sagte ich.
    »Dann nimmst du eben ein
Taxi«, sagte Alison. »Nach den letzten Tagen tut eine Pause vom Auto dir
bestimmt ganz gut.«
    »Stimmt.«
    »Warum fährst du eigentlich
auf die Shetlands?«, fragte sie.
    Also begann ich ihr von Trevor
zu erzählen, von Guest Zahnbürsten und Lindsay Ashworth. Ich erzählte ihr von
Lindsays »Keine-kommt-weiter«-Kampagne, von den vier Vertretern, die in alle
vier Himmelsrichtungen zu den entferntesten Ecken Großbritanniens losgeschickt
worden waren, und den beiden Preisen, die es zu gewinnen gab. Dann kam ich vom
Weg ab und erzählte ihr von meinem Umweg über Lichfield, zur Wohnung meines
Vaters, wie unheimlich und desolat sie mir vorgekommen war, von Miss Erith,
ihren faszinierenden Geschichten und ihrer Trauer über den Verlust der alten
Lebensart, ihrer seltsam feierlichen, beinahe unerklärlichen Dankbarkeit, als
ich ihr eine meiner Zahnbürsten schenkte. Ich erzählte Alison auch von Roger,
dem geheimnisvollen Freund meines Vaters, dem Müllsack voller Postkarten, der
jetzt im Kofferraum meines Autos lag, und von dem blauen Ordner mit Gedichten
und Prosatexten meines Vaters. Und ich erzählte ihr, dass ich von Lichfield
weiter nach Kendal gefahren war, um Lucy und Caroline zu besuchen, und dass ich
am nächsten Tag die Fähre von Aberdeen aus genommen hätte, wenn Mr und Mrs
Byrne mich nicht überredet hätten, den Abstecher über Edinburgh zu machen.
    »Weißt du, Max«, sagte sie und sah mir dabei fest in
die Augen, »ich bin sehr froh, dass du gekommen bist, egal, aus welchem Grund.
Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen - und wenn es Tausend Mal meine
Eltern waren, die dich dazu überredet haben.«
    Ich lächelte nur, weil

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