Coe, Jonathan
wie
Chris - ich sollte mein Feuer bekommen. Und als er dann dieses »Etwas«
errichtet hatte, das für mich wie ein wahlloses Sammelsurium von Zweigen, Gras,
Ästen und Farnkraut aussah, schaffte er es nicht, ein Streichholz anzureißen.
Er brauchte drei oder vier Streichhölzer, um das Reisig in Brand zu setzen, und
heraus kam ein dicker Qualm, der sich so schnell über die ganze Ecke des
Campingplatzes ausbreitete, dass schon bald Leute aus anderen Zelten kamen,
sich beschwerten und uns aufforderten, es zu löschen. In dem Moment fing ich an
zu lachen, und das war natürlich das Schlimmste, was ich tun konnte: Jetzt sah
Max erst richtig erbärmlich aus, und er verdoppelte seine Anstrengungen, das
Gestrüpp in Brand zu setzen, lief wieder in den Wald, sammelte noch mehr
feuchtes Feuerholz. Als er zurückkam, wollte ich ihn eigentlich mit einer
unverblümten Koketterie begrüßen, so etwas wie: »Hey, Max, man kann sich auch
auf andere Art warmhalten«, aber beim Anblick seines Gesichts erstarben die
Worte mir auf den Lippen. Zu behaupten, dass der Zeitpunkt für Anspielungen
dieser Art vorbei war, wäre eine glatte Untertreibung. Der Abend war im Eimer,
für ihn und für uns beide. Tränen der Enttäuschung standen ihm in den Augen,
während er immer mehr nutzlose feuchte Vegetation auf den schwelenden Haufen
warf und sich mit dem blutverschmierten Taschentuch an der Streichholzschachtel
und den Streichhölzern zu schaffen machte. Ich wusste, dass ein selbstloser
Impuls der Auslöser war - er hatte sich Sorgen um mich gemacht und wollte mich
wärmen -, aber inzwischen war etwas ganz anderes daraus geworden. So komisch es
klingen mag, aber ich glaubte genau zu wissen, was in seinem Kopf oder
zumindest in seinem Unterbewussten passierte. Es ging längst nicht mehr darum,
ein Feuer zu machen. Es ging um Max' Beziehung zu seinem Vater. Chris war beigebracht
worden, wie man so etwas macht: Dad hatte sich die Zeit genommen und die
Geduld, diese Lektion von einer Generation an die nächste weiterzugeben; so
funktionierte ihre Beziehung. Das alles fehlte Max. Sein Vater hatte ihn
aufgegeben, schon vor Jahren - vielleicht hatte er überhaupt nie eine Beziehung
zu ihm gesucht. Deshalb hing Max an dieser milden, gütigen Mutter, aber die
hatte auch nichts, was sie ihn lehren, was sie an ihn weitergeben konnte. Er
war allein auf der Welt, und der Existenzkampf war in vollem Gange. Es wurde zu
quälend, ihm dabei zuzusehen, wie er Streichholz auf Streichholz für dieses
Feuer verschwendete, das nie zu brennen anfangen würde. »Mir reicht es«, sagte
ich. »Ich leg mich wieder hin. Ruf mich, wenn du so weit bist.« Aber als ich
eine halbe Stunde später wieder nach draußen schaute, war nichts zu sehen als
ein schwach vor sich hin qualmender Haufen Holz dort, wo ein Feuer hätte
brennen sollen, und von Max war nichts zu sehen. Er hatte sich allein
irgendwohin verzogen.
Das war noch nicht das Ende
der Geschichte, leider, denn das, was dann passierte, hat mir noch viel weniger
gefallen. Aber ich weiß, dass ich das Thema des Aufsatzes noch nicht bedient
habe, und um das zu tun, muss ich berichten, was ein paar Wochen nach diesen
Ereignissen im Haus der Sims passiert ist.
Ich hatte Max gegenüber ein
schlechtes Gewissen. Dieser letzte Abend war ein solches Fiasko gewesen, dabei
hätte er ganz anders verlaufen können, und daran musste ich bis zu einem
gewissen Grad auch mir selbst die Schuld geben. Sicher, er hatte sich wie ein
Vollidiot benommen, aber wahrscheinlich hätte ich ihn in der Situation
auffangen können, wenn ich nicht so schnell die Geduld mit ihm verloren hätte,
und es war nun einmal so, dass ich ihn immer noch sehr gern hatte, trotz all
seiner Nutzlosigkeit. Deshalb wollte ich ihm noch eine Chance geben.
Um eine möglichst ungezwungene
Atmosphäre herzustellen, beschloss ich, ihn einfach an einem Sonntagnachmittag
bei ihm zu Hause zu besuchen und ihn zu einem kleinen Spaziergang einzuladen -
vielleicht über den städtischen Golfplatz, der gleich gegenüber von ihrem Haus
war. Ich meldete mich auch nicht telefonisch an, es sollte so aussehen, als
wäre ich zufällig in der Gegend gewesen und spontan vorbeigekommen.
Es war ein schöner sonniger
Nachmittag Mitte September. Ich ging ihre kurze Auffahrt hinauf und drückte auf
die Türklingel. Offensichtlich war sie abgestellt, aber die Tür war nur
angelehnt und ließ sich aufstoßen.
Normalerweise hätte ich jetzt
gerufen - »Hallo, ist jemand da?« -, aber
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