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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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eingestellt), verspürte ich eine plötzliche Sehnsucht nach der
sieben- oder achtjährigen Lucy aufwallen, mit der wir auf unseren Autoreisen
immer ein Spiel gespielt hatten, bei dem man nach den Aufschriften auf der
Seite der Lastwagenanhänger ihr Herkunftsland bestimmen und versuchen musste,
die Namen der ausländischen Städte zu identifizieren. Ein Spiel, bei dem sie
erstaunliche -
    »Oh, Scheiße!«, entfuhr es mir.
    Folgen Sie der Autobahn, sagte Emma.
    »Ich habe kein Geschenk für
sie!«
    Tatsächlich hatte mein
vormittägliches Abenteuer in Lichfield mir die väterlichen Pflichten glatt aus
dem Kopf gespült. Aber ich konnte unmöglich mit leeren Händen auftauchen. Also musste
ich bei der nächsten Raststätte rausfahren. Noch etwa zwölf Kilometer.
    Nachdem ich den Wagen geparkt
hatte und hineingespurtet war, sah ich mich hektisch um. Zuerst konnte ich
nicht viel entdecken, mit dem sich bei ihr Eindruck schinden ließ. Es gab den
üblichen Laden mit Handy-Accessoires, aber ich konnte mir nicht vorstellen,
dass sie begeistert wäre, wenn ich ihr ein Autoladekabel oder ein
Bluetooth-Headset mitbringen würde.
    (Was mich daran erinnerte: Ich
musste so bald wie möglich das Headset in meinem Auto in Betrieb nehmen.
Vielleicht heute Abend.) Meine beste Option war wohl W. H. Smith, aber selbst
das ... Würde sie etwas mit so einem zusammenklappbaren Gartenstuhl anzufangen
wissen, auch wenn man hier zwei davon zum Sonderpreis von zehn Pfund kaufen
konnte? Es gab Unmengen von Plüschtieren, aber die sahen so billig und hässlich
aus, dass es sogar mir auffiel. Ein Steckdosenadapter für nord- und
südeuropäische Länder war praktisch, aber nicht sonderlich dafür geeignet, ein
dankbares Glitzern in den Blick eines jungen Mädchens zu zaubern. Wie wäre es
mit einem Malbuch? Von denen gab es hier jede Menge, und sie malte doch so
gern, das wusste ich von den Bildern, die sie mir bis vor einiger Zeit noch
regelmäßig geschickt hatte. Es gab auch die passenden Stifte dazu. Das war doch
etwas. Alle Kinder malten gerne, oder nicht?
    Ich trug das Set zum Tresen,
unterließ jeden Versuch der Plänkelei mit dem entsetzlich gelangweilt
aussehenden Turbanträger hinter der Registrierkasse und war nach wenigen
Minuten wieder auf der Autobahn.
    Nach drei Kilometern nehmen
Sie die Ausfahrt links, Richtung South Lakes, sagte Emma schon bald.
    Inzwischen war die Landschaft
felsiger und interessanter. Braune Kulturwegweiser tauchten auf, machten mich
darauf aufmerksam, dass wenige Kilometer weiter westlich die Herrlichkeiten
Blackpools auf meinen Besuch warteten, oder legten mir nahe, den durchaus
lohnenden Umweg über die historische Altstadt von Lancaster nicht zu scheuen.
Wir waren endgültig im Norden angekommen. Mittelengland lag weit hinter uns.
    Nach anderthalb Kilometern
nehmen Sie die Ausfahrt links, Richtung South Lakes.
    »Gott, Emma, ich bin nervös.
Ich versuche nicht, es vor dir zu verbergen. Als könnte ich etwas vor dir
verbergen. Du weißt alles über mich. Du bist das Auge, das alles sieht.«
    Nehmen Sie die Ausfahrt links,
Richtung South Lakes. Dann fahren Sie nach circa vierhundert Metern in den
Kreisverkehr. Halten Sie sich links.
    »Ich weiß nicht, warum ich so
nervös bin. Caroline war eigentlich ganz freundlich neulich am Telefon. Das
Problem ist, dass es mir wohl weniger um Freundlichkeit geht. Das reicht mir
nicht. In mancher Hinsicht tut es sogar noch mehr weh, wenn sie nett zu mir
ist.«
    Fahren Sie in den Kreisverkehr
und halten Sie sich links. Nehmen Sie die erste Ausfahrt.
    »Und ich hoffe inständig, dass
Lucy sich nicht zu sehr verändert hat. Sie war immer sehr anhänglich. So
hilflos waren wir nicht miteinander, nicht annähernd so, wie Caroline es in
ihrer ... niederträchtigen Erzählung geschildert hat. Lucy ist einfach und
unkompliziert. Du wirst sie mögen - das weiß ich.«
    Folgen Sie dem Straßenverlauf.
    Es dämmerte bereits, als wir
die A684 entlangfuhren. Wir kamen an einem Straßencafe vorbei, das kaum größer
war als ein Baucontainer und auf dem ein England-Fähnchen flatterte, und
zahlreiche braune Kulturwegweiser luden uns ein, die Welt der Beatrix Potter zu
besuchen, aber das mussten wir auf die nächste Reise vertagen. Bald darauf
flimmerten uns durch den Vorhang aus Regen und einfallender Dunkelheit die
Lichter von Kendal entgegen.
     
    »Hallo,
Max«, sagte Caroline.
    Sie beugte sich auf der
Türschwelle vor, legte einen Arm um mich und gab mir einen Kuss auf die

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