Coins - Die Spur des Zorns
Lapsus: Wagner stand unter Volldampf, weit jenseits des kritischen Kesseldrucks! Der Leitende hatte in seinem Zorn gar nicht mitbekommen, dass sein Gegenüber stand! „Was kann ich für Sie tun, Herr Oberstaatsanwalt?“
„Hat sich der Schöller gemeldet?“
„Nein. Sollte er das?“
Dr. Wagner überging die Frage. „Ihnen ist klar, dass Sie sich in Teufels Küche begeben, sollten Sie mir etwas verheimlichen! Deshalb nochmals meine Frage: Hat sich Schöller gemeldet? Oder anders herum gefragt: Wissen Sie, wo er sich aufhält oder was er treibt?“
Schrage sah den Leitenden Oberstaatsanwalt mit nicht zu überbietender Unschuldsmiene an. „Keine Ahnung. Ich sagte Ihnen doch, er ist in Süddeutschland bei Verwandten …“
Wagner fiel ihm erregt ins Wort: „Der soll sich nicht bei Verwandten ‘rumtreiben! Der gehört auf Dr. Kuhlmanns Couch! Sonst kann er gleich zu Hause bleiben!“
„Es steht mir nicht zu, Ihnen zu widersprechen, Herr Oberstaatsanwalt. Aber Hauptkommissar Schöller ist unser bester Mann! Ich glaube nicht, dass dem KK12 damit gedient wäre, ihn in die Wüste zu schicken …“
„Was nutzt mir der beste Mann, wenn er sich verrennt, beratungsresistent ist und sich letztendlich nicht der beruflichen Belastung gewachsen zeigt! Wie oft habe ich Ihrem Chef zu verstehen gegeben, sich nicht auf den Fall Pohl zu fokussieren! Fünfzehn unerledigte Fälle sprechen ja wohl eine eindeutige Sprache. Die Wahlen stehen vor der Tür, der Innenminister macht mir die Hölle heiß. Und das zu Recht!“
„Sie übersehen, dass die Fälle in Schwelm, Wuppertal und Dortmund inzwischen gelöst wurden …“
„Das habe ich sicherlich nicht übersehen, Herr Schrage! Das war allein das Verdienst der Kommissare Hengstenberg und Rasche; in diesen Fällen hatte Schöller keinerlei Aktien. Insofern glaube ich nicht, dass seine Abwesenheit große Löcher in das Kommissariat reißen würde.“
„Und wieso suchen Sie ihn dann so engagiert?“
Einen Moment schnappte Wagner nach Luft. War der Schrage größenwahnsinnig geworden? Was bildete der sich ein? „Das lassen Sie mal meine Sorge sein! Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie und Kommissar Brecht noch immer das Babylon observieren. Stimmt das?“
Genau diese Frage hatte Schrage befürchtet. Jetzt wurde es wirklich eng für Schöller. Natürlich war allen bewusst, dass sie gegen Wagners Anweisungen handelten. Wie sollte er reagieren, ohne den Chef in die Schusslinie zu bringen?
„Oberkommissar Schrage, ich hab‘ Sie was gefragt!“
Schrage schaute erschrocken auf. Wagners unnatürlich starrer Blick hatte etwas Lauerndes, ganz und gar Unangenehmes. Schrage spürte ätzenden Widerwillen. Er konnte das karrieregeile Arschloch auf den Tod nicht leiden! Wagner und Schottky, die passten zusammen, wie die Faust aufs Auge! Nein – er würde den Chef nicht in Gefahr bringen! Das hatte Schöller nicht verdient! „Im Babylon deutet allerhand darauf hin, dass wir es dort mit der Zentrale, zumindest einer wichtigen Institution eines Menschenhändlernetzwerks zu tun haben. Offensichtlich spielt dort der Handel mit Minderjährigen eine erhebliche Rolle. Beides zu unterbinden und die Gesetzesbrecher ihrer Bestrafung zuzuführen ist Aufgabe des KK12. Ich gedenke, diese Aufgabe auch weiterhin zu erfüllen, es sei denn, ich erhalte ausdrücklich gegenteilige Weisung, dies bitte in schriftlicher Form …“
„Sagen Sie mal, sind Sie übergeschnappt? Wollen Sie mir vorschreiben, wie ich meine Anweisungen zu erteilen habe? Seien Sie froh, dass ich bisher auf schriftliche Dokumentation verzichtet habe, sonst wäre Ihr eigenmächtiges, behördenschädigendes Verhalten längst Gegenstand Ihrer Personalakte! Sie und Brecht ziehen sich umgehend vom Babylon zurück! Oder wollen Sie sich mit der Landesregierung anlegen? Das Babylon ist ein unter der Schirmherrschaft des Innenministers stehendes Integrationsmodell! Wollen Sie etwa behaupten, die Landesregierung investiert Jahr für Jahr einen Millionenbetrag in ein verbrecherisches Netzwerk?“
Wagners Blick bohrte sich wie ein glühendes Schwert in Schrages Unschuldsmiene. Der erwiderte den Blick trotzig, versuchte, seine aufkommende Verunsicherung vor dem schäumenden Oberstaatsanwalt zu verbergen. Wie sollte er reagieren? Bei der Linie bleiben, auch auf die Gefahr hin, die eigene Karriere aufs Spiel zu setzen? Oder pro forma nachgeben, tatsächlich aber das Babylon weiter beschatten? Wagners Anweisung folgen? Gänzlich von der Hand
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