Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coins - Die Spur des Zorns

Coins - Die Spur des Zorns

Titel: Coins - Die Spur des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
Vom Netzwerk:
trotz seines desolaten Zustands machbar, selbst bei schwerer See. Er wuchtete sich in die Höhe, steckte die Waffe ins Halfter. Mittlerweile erfahrener wartete er auf den kurzen Moment der Schiffsstabilität. Mit wenigen Schritten erreichte er die Tür. Sie war unverschlossen! Also war er wirklich kein Gefangener. Er muss ohnmächtig gewesen sein, als man ihn in die Kabine brachte. Hatte er einen Unfall erlitten? Aber warum lag er auf dem Boden? Warum trug er noch die Nachtsichtbrille? Behandelte man so einen Verletzten, ein Unfallopfer?
    Er trat durch die Türöffnung, ließ den Blick kreisen. Er befand sich in einem Flur, den er bisher nicht betreten hatte. Das musste das mittschiffige Unterdeck sein! Dort, hinter der Tür jenseits der Treppenstufen, befand sich die Kabine seiner Töchter! Hinter dieser letzten Tür hofften Alexa und Alena auf ihre Befreiung! Er, ihr Vater, wäre ihr Befreier! Gab es nach diesem Drama Versöhnlicheres?
    Ihm schlug das Herz bis zum Halse, als er, die launenhaften Bewegungen der Henrietta missachtend, mit staksigen Schritten den Treppenabsatz umrundete. Der Moment, auf den er vier Wochen verbissen hingearbeitet hatte, war gekommen! In rasender Folge schossen ihm die Gesichter der Bandenmitglieder durch den Kopf, die beiden Kustow-Brüder, Abdullah, Sascha, Victor, Mecit, Anatol, Kevin – acht Opfer, blutige Spur seines Zorns. Diese Tür dort endlich erreicht zu haben, rechtfertigte den mörderischen Feldzug! Er zitterte vor Aufregung, als er den Türknauf in der Hand hielt. Wie würden die Mädchen, seine Mädchen, reagieren? Aus der Kabine drang eine Stimme. Es war die Stimme eines Mannes! Sie klang kalt, gläsern, in höchstem Maße bedrohlich. Pohl gefror das Blut. Verzweiflung brandete auf, als er begriff: Es war noch nicht zu Ende!
     
    „Da stimmt was nicht. Das dauert mir zu lang.“ Fortman blickte den Kapitän an. Der duckte sich unter seinem Blick. Fortman war das nicht entgangen. „Sollten Sie uns verarscht haben, werden Sie keine Gelegenheit bekommen, dies zu bereuen!“ Der frostige Ton seiner Stimme ließ nicht den geringsten Zweifel aufkommen, dass dies nicht leere Drohung war.
    Spontan machte er kehrt, nahm im Treppenabgang die Handläufe in die Hände. Schon bei der zweiten Stufe blieb er stehen. „Professor!“ Er blickte sich zu Schöller um, der ihn neugierig anstarrte. „Der Professor ist weg! Achten Sie auf den Captain!“
    Bevor Schöller etwas erwidern konnte, war Fortman die Treppe hinabgestürmt. Schöller verfolgte gebannt, was sich dort unten am kaum erkennbaren Treppenfuß tat. Fortman war aus dem Sichtfeld verschwunden, tauchte jedoch sogleich wieder auf. „Er ist weg! Dieser Idiot! Ich schau unten bei den Mädchen nach.“
    „Moment!“
    Selbst Fortman konnte Hellenkämpers alarmierenden Ruf – fast schon Schrei – hören. „Was ist los?“
    Schöller blickte zu Hellenkämper hinüber, sah, wie dieser das Bordtelefon in die Höhe hielt. „Ein Anruf! Bordtelefon! Warten Sie!“
    Schöller hangelte sich zum Steuerstand, langte hastig nach dem Mobilteil, das ihm Hellenkämper hinhielt. Inzwischen war Fortman zurück ins Wheelhouse gestiegen. Er blickte Schöller irritiert an, doch dann forderte das heftig stampfende Schiff seine Aufmerksamkeit. Gegen die Scheiben prasselndes Spritzwasser übertönte den Summton des Telefons. Um festen Halt bemüht rief Fortman gegen den Lärm an: „Bordtelefon? Wer ruft da an? Ist es Pohl?“
    Schöller hob die Schultern, wartete, das unaufhörlich summende Telefon in der Rechten, stoisch auf den günstigen Moment, unbeschadet die Eckbank erreichen zu können. Endlich kam die Henrietta einen Augenblick zur Ruhe. Schöller hastete zur rettenden Sitzecke. Dort angelangt drückte er die Empfangstaste. „Ich höre.“
    „Wurde auch Zeit! Dann hören Sie mal genau zu …“
    Der Maschinist! Das konnte nur der Maschinist sein! Der Kapitän hatte sie hereingelegt! Schöller begann mit einem Male zu frieren, wusste aus Erfahrung, was dieses plötzliche Frieren zu bedeuten hatte. Er ahnte, dass das, was sich nun ereignen würde, all ihre Anstrengungen zunichte machte. Er lauschte in den Hörer, hörte im Hintergrund die Stimme des Anrufers. Die ständig gegen die Frontverglasung des Wheelhouse schlagenden Wassermassen machten es unmöglich, den Wortlaut zu verstehen. Dann hörte er, dass jemand am anderen Ende der Leitung hektisch ins Mikrofon atmete. Kein Zweifel, diese Person hatte Angst, sehr große Angst, und sie

Weitere Kostenlose Bücher