Coins - Die Spur des Zorns
dieses verfluchten Dampfers gehen, wenn ein Boarding der Marine vorgesehen ist?“
„Kapitänleutnant Steiner will seinen Kontakt in Eckernförde nutzen und einen Sea King der SEK M nach Rügen beordern. Er geht davon aus, dass er den Hubschrauber zwar genehmigt bekommt, aber er weiß nicht, wie viel Zeit bis dahin vergeht. Wir müssen verhindern, dass Beweismittel vernichtet oder über Bord geworfen werfen. Darum ist es erforderlich, dass wir umgehend an Bord der Baltic Vis gehen, sobald die Schiffe längsseits gegangen sind. In weniger als einer Stunde wäre die gesamte Aktion beendet, Schiff und Besatzung sowie weitere an Bord befindliche Personen könnten anschließend der Küstenwache überstellt werden. Sollte der Inder tatsächlich der Bevollmächtigte des Auftraggebers sein, wären wir einen Riesenschritt vorangekommen, das verbrecherische Netzwerk aus den Angeln heben zu können.“
„Ein Inder, sagen Sie? Das deckt sich mit Schöllers Erkenntnissen. Er vermutet die Zentrale in Indien. Aber welche Rolle sollen meine Töchter bei diesem Unternehmen spielen? Das ist ein verdammt gefährliches Unterfangen, das Sie da vorhaben!“
„Sie sollen sich lediglich auf der Flybridge zeigen, wenn die Schiffe längsseits gehen. Es würde die Glaubwürdigkeit des Vorwandes unterstützen, mit dem wir das Boarding der Baltic Vis begründen. Sobald wir an Bord sind, können sich die Mädchen wieder unter Deck aufhalten.“
„Sie wollen allen Ernstes, dass Alena und Alexa als Lockvögel dienen?“
In Pohls Augen loderte schwer einschätzbares Feuer. Fortman wusste, worauf es nun ankäme: Ein falsches Argument, ihr Vorhaben wäre gescheitert. „Um Gottes willen! Doch nicht als Lockvögel, Professor! Der Inder soll glauben, dass wir liefern. Mehr nicht!“
„Wo ist da der Unterschied?“ Wieder dieser Blick! In Pohl arbeitete es, das war unübersehbar. War es die verkehrte Wortwahl gewesen? Wenn Pohl sich weigerte – wie sollten sie auf Seiten der Gangster aufkommendes Misstrauen ausräumen? Niemand auf der Baltic Vis wusste von der angeblichen Anweisung Samir Charifs! Woher auch – es gab sie nicht! Auf einen Kontroll-anruf würde der Libanese nicht reagieren, schon käme Misstrauen auf! Soweit durfte es erst gar nicht kommen und hierzu könnten die Mädchen einen Beitrag leisten. War das denn so schwer zu begreifen? Fortman war mit seinem Latein am Ende, beschloss, zu schweigen. Er konnte die Situation nur verschlimmern.
„In Ordnung. Ich mach‘ mit.“
Fortman sah Pohl überrascht an. Damit hatte er schon nicht mehr gerechnet. „Wirklich? Sind Sie sicher?“
„Wenn die Mädchen sich nur einen Moment zeigen müssen, danach sofort wieder unter Deck verschwinden können, bin ich einverstanden. Ich würde auch mit an Bord der Baltic Vis gehen, zu gerne diesem Inder die Knochen brechen …“
„Nein, Professor, vergessen Sie’s! Schöller stimmt dem nicht zu, und er hat recht. Ihre Mädels brauchen den Vater dringender, als je zuvor! Außerdem haben Sie an Bord der Henrietta eine wichtige Aufgabe zu erfüllen!“
Pohl schaute überrascht. „Ach ja? Haben Sie noch mehr dubiose Karten im Ärmel?“
„Jemand muss den Maschinisten unter Kontrolle halten. Der ist unser Lockvogel! Aber er muss so funktionieren, wie wir uns das vorstellen. Tut er’s nicht, schießen wir ihm die Eier weg. Das hab‘ ich ihm jedenfalls angedroht. Ihre Aufgabe wäre es, dies auf der Flybridge glaubwürdig darzustellen …“
„Mach‘ ich mit allergrößtem Vergnügen!“
Fortman stutzte. Da war sie wieder, diese unheimliche Glut in Pohls Augen.
„Die Henrietta kommt in zehn Uhr in Sicht. Scheint keine Fahrt zu machen.“
Der Erste Offizier reichte Tomislav Korosec unaufgefordert das Glas. Der Kapitän hob es vor die Augen, nickte. Er setzte das Glas ab, beugte sich über Radar, Echolot und Kartenplotter. „Haben Sie das Handy zur Hand?“
„Hab‘ ich.“
„Dann geben Sie an die Henrietta die Koordinaten für das Rendezvous durch: 55°04‘34“ Nord, 15°09‘12“ Ost.“ Er wandte sich an den Rudergast. „Kurs halten, langsame Fahrt!“ Dann beugte er sich vor zum Mikrofon der Bordsprechanlage: „Rendezvous in zehn Minuten.“ Er gab das Nachtglas dem Ersten Offizier zurück. „Hoffentlich verstehen die auf der Henrietta ihren Job! Mir sind solche Luxus-Yachten seit jeher suspekt.“
„Wird schon schiefgehen, Captain.“
„Mal den Teufel nicht an die Wand, Marko! Gib mir noch mal das Glas!“
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