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Coins - Die Spur des Zorns

Coins - Die Spur des Zorns

Titel: Coins - Die Spur des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
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entlocken und diese in die Personenbeschreibung einfließen zu lassen. Dennoch war auch hier die Charakterisierung nicht sehr umfassend. Boris Kustow hatte in puncto Verschlagenheit und krimineller Energie weitaus mehr Facetten zu bieten. Trotz diese Mankos erschien vor seinem geistigen Auge scheinbar leibhaftig der Russe, je mehr Punkte der Aufstellung Pohl verinnerlichte. Besonders Kustows boshaftes Grinsen war ihm von Anbeginn an in lebhafter Erinnerung geblieben. Dieses Grinsen würde dem Russen morgen vergehen! Er hatte bewusst die frühe Stunde gewählt. Kustow pflegte bis tief in die Nacht bei Kreuzer zu zechen. Entsprechend unausgeschlafen und unkonzentriert wäre er vermutlich, wenn es in aller Herrgottsfrühe zum letzten Gefecht kam. Auch die Lichtverhältnisse spielten eine Rolle. Um diese Uhrzeit würde die erste Morgendämmerung anbrechen, ein Vorteil, sollte er sich absetzen müssen. Außerdem musste sichergestellt sein, dass nur der dienstgeile Schottky, morgens stets der Erste im Kommissariat, erreichbar war. Auch das war Teil der Strategie. Mehr noch: Es war das ‚Sahnehäubchen‘ des geplanten Geschehens.
    Das Telefon läutete. Pohl stöhnte entnervt auf. Nicht Schöller schon wieder! Der Hauptkommissar hatte die unangenehme Eigenschaft, ihn stets dann anzurufen, wenn er den nächsten Schlag vorbereitete. Man konnte schon den Eindruck gewinnen, Schöller verfügte über hellseherische Fähigkeiten. Es hätte Pohl nicht gewundert, sollte sich herausstellen, dass sein Gegenspieler durch gemauerte Wände sehen, wenn nicht gar gehen konnte. Oder über Wasser …
    Bevor Pohl den Hörer in die Hand nahm, war er sich sicher: Das ist Schöller! Totsicher! Er sollte sich nicht getäuscht haben.
    „Hallo, Professor! Schön, dass ich Sie erwische! Auch mal im Hause?“
    „Ich begrüße Sie, Herr Schöller. Natürlich bin ich tagsüber zu Hause. Oder in der Bibliothek. Ich sagte Ihnen doch: Ich arbeite an einer Veröffentlichung. Das untätige Dahinwarten würde mich sonst wahnsinnig machen.“
    „Warum lehren Sie nicht wieder an der Uni? Das brächte Sie auf andere Gedanken!“
    „Das geht nicht. Die Urlaubsregelung gilt für das gesamte Semester. Aber das ist sicherlich nicht der Grund Ihres Anrufs. Was haben Sie auf dem Herzen, Hauptkommissar?“
    „Ich wollte Sie fragen, ob wir uns übermorgen sehen können.“
    Übermorgen! Pohls Miene erhellte sich. Bedeutete das, dass er morgen nicht damit zu rechnen brauchte, von Schöller behelligt zu werden? Dass Schottky, aktuell in den Innendienst verbannt, den ganzen Tag Stallwache hatte? Das würde die Aktion wesentlich vereinfachen, da die Einhaltung eines verdammt knapp bemessenen Zeitfensters nicht mehr entscheidendes Kriterium wäre! „Warum geht das nicht morgen, Herr Schöller?“ Er konnte es nicht lassen! Der Hauptkommissar war ein hellwacher, mit allen Wassern gewaschener Hund! Um so reizvoller war es, mit ihm um die Wette zu pokern.
    „Morgen geht nicht. Ich bin den ganzen Tag in Münster.“
    „Verstanden. Dann muss ich halt umdisponieren.“
    „Bereitet das Probleme? Sagen Sie das frank und frei, Professor! Wir können uns auch einen Tag später treffen. Was ich Ihnen zu berichten habe, läuft nicht weg. Ich dachte nur, dass es Sie interessiert.“
    „Ist es wegen der Mädchen?“
    „Nicht direkt, Professor. Aber wir kreisen das Umfeld zunehmend ein. Wir machen ermutigende Fortschritte! Hierüber wollte ich mit Ihnen sprechen. Es tut sich einiges, allerdings auch, was meine zukünftige Rolle in Ihrem Fall angeht. Ich finde, Sie haben ein Anrecht darauf, dies als erster zu erfahren.“
    „Ihre zukünftige Rolle?“ Verdammt, was sollte das nun wieder? Wollte man Schöller etwa wieder aus dem Fall abziehen? Bloß das nicht wieder! „In meinem Fall?“
    „Das ist kein Thema fürs Telefon, Professor. Also – wann sehen wir uns? Übermorgen oder später?“
    „Übermorgen natürlich! Eigentlich wollte ich dann zwar in der Bibliothek sein, aber vielleicht schaffe ich das morgen. Wie dem auch sei – wir sehen uns übermorgen. Wann und wo?“
    „Lassen Sie uns das übermorgen entscheiden!“
    „In Ordnung. Sie melden sich?“
    „Ja. Also bis dann! Tschüss.“ Schöller hatte aufgelegt.
    Über Pohls Gesicht huschte ein Lächeln. Das war eine günstige Entwicklung, befreite sie ihn doch von der Sorge, während der Aktion von Schöller gesucht zu werden, sich später erklären zu müssen. Er legte auf, ging zurück in die Küche. Wieder

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