Cold Belt - Band 1 - Feuerblut (German Edition)
Problem. Hier in Harts war sie verloren. Laut seufzte sie und ließ sich abermals in die Kissen fallen, starrte an ihre Zimmerdecke. Wo war ihr Halt? Wo war der Mensch, der sie mal in den Arm nahm und ihr sagte, dass alles gut werden würde? Warum nur musste sie mit ihren siebzehn Jahren der Stützpfeiler ihrer Familie sein? Auf der anderen Seite ging es ihrem kleinen Bruder viel schlechter. Er war nicht so stark wie sie selbst. Und ihre Mutter? Sie war auch einsam. Als sie genauer darüber nachdachte, schämte sie sich für ihre Gedanken. Denn hier ging es niemandem gut. Weder ihrem Vater, der zuvor viel verdient hatte, nun einen weitaus schlechter bezahlten Job angenommen hatte, nur um genügend Geld zu verdienen. Ihre Mutter, die all ihren Schmuck und ihre teure Kleidung verkauft hatte, damit Lilly ihre Violine behalten durfte. Die ihre Freundinnen verlor, genauso wie Lilly. Oder Leonhard. Zwar hatte er nun einige Jungs kennengelernt, die in seinem Alter waren, ob sie aber richtige Freunde werden könnten, musste sich erst noch herausstellen.
„ Habe heute meine erste Nacht in Harts verbracht. Das Licht des Warm Shelter ist ganz schön hell. Harts ist cool. Natürlich nicht so cool wie New York, aber es hat Charme. Mein Zimmer ist fertig gestrichen, morgen sortiere ich alles ein und mache Fotos für euch.“
Genug der trüben Gedanken. Lilly atmete tief ein, lächelte sogar etwas. Egal, was auch passieren würde, sie würde einfach das Beste aus der Situation machen.
Nachdem sie ihre Nachricht auf ihrer Pinnwand veröffentlicht hatte, schaltete sie ihren Laptop aus und griff unter ihr Kopfkissen. Andächtig streichelte sie über das Buchcover. `Rosenrot und Tod´, murmelte sie, fühlte dabei die Prägung der goldenen Buchstaben. Sie drehte das Buch herum und studierte noch einmal die Beschreibung.
„ Dieses Buch widme ich meiner Frau Ethienne. Es ist unsere Lebens- und Liebesgeschichte.“
Aufgeregt blätterte sie in dem 740 Seiten starken Wälzer herum.
„ Es ist so schade, dass kaum noch Bücher verkauft werden“, seufzte sie leise. Digitale Werke hatten sich bereits 2015 durchgesetzt und so kam auf hundert digitale Buchverkäufe nur ein gedrucktes Buch, meist von älteren Kunden gekauft, die nichts von E-Books und E-Book-Readern hielten. Auch wenn sie selbst mit E-Book-Readern aufgewachsen war und eines mit einer beachtlichen digitalen Sammlung besaß, war sie doch glücklich über ihre Sammlung gedruckter Werke.
Es war mitten in der Nacht. Bree und Richard waren bereits nach Hause gefahren und ihre Eltern lagen längst in ihrem Bett. Lilly war bei brennendem Licht und mit dem Buch auf ihrem Bauch eingeschlafen, als sie Musik hörte, die sie aufwachen ließ. Müde blinzelte sie, war noch schlaftrunken, als sie nach ihrem Buch tastete.
„ Oh Mist!“, murmelte Lilly und gähnte erschöpft.
Doch dann hörte sie erneut diese Musik. Sie war so leise, dass Lilly genau hinhören musste, um sie wahrzunehmen. Gähnend stand sie auf und ging durch ihr Zimmer. Doch ihr Touchphone und ihre Musikanlage sowie der Fernseher waren aus. Sie lauschte an der Tür, öffnete sie einen Spalt, doch von dort kam die Musik ebenfalls nicht. Also stellte sie sich an ihr Fenster und lauschte.
„ Die Mondscheinsonate?“ Ihr Herz raste. Bildete sie sich das etwa alles nur ein? Es war doch ein Klavier, das sie hörte? Sie schaute zum Fenster hinaus. Auf das Cold Belt, das in einen hellen Schimmer getaucht war.
Nein, das war unmöglich. Geräusche wurden aus dem Cold Belt dank der Warm Shelter abgefangen. Sowohl nach innen als auch nach außen.
Und der nächste Nachbar war eigentlich viel zu weit weg, als dass man Geräusche von dort bis zu ihnen gehört hätte. Also öffnete sie das Fenster. Kalte Luft wehte ihr entgegen. Doch die Musik, die sie hörte, wurde lauter. Irgendjemand spielte hier die Mondscheinsonate auf einem Klavier und das sogar richtig gut. Lillys Blick fiel auf die Uhr, die neben ihrem Bett stand. Es war kurz nach Mitternacht.
„ Uh. Geisterstunde.“ Lilly lachte, schloss das Fenster wieder. Vielleicht wollte sie jemand ärgern. Irgendwelche Jugendlichen aus der Nachbarschaft, die sie und ihre Familie so erschrecken wollten. Und so legte sie sich wieder in ihr Bett, verstaute `Rosenrot und Tod´ unter ihrem Kopfkissen, hoffte, so von dieser wunderschönen Liebesgeschichte träumen zu können. Als sie ihre Lampe ausschaltete, erhellte das Licht des Warm Shelter ihr Zimmer. Das kalte Blau
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