Cold Belt - Band 1 - Feuerblut (German Edition)
Mann aber lief ihr nach.
„ Ich bin Ray Denver. Aber alle nennen mich nur Denver Ray. Klingt cooler, findest du nicht auch? He, du bist neu hier, ja?“ Er schien großen Gefallen an ihr gefunden zu haben, anders konnte Lilly sich sein anklammerndes Verhalten nicht erklären.
„ Hi, Lilly. Schön, dich kennenzulernen. Ja, ich bin neu hier und gerade auf dem Weg nach Hause.“ Dieser Typ war ihr einfach nicht geheuer, dennoch versuchte sie, höflich zu bleiben und sich so gekonnt wie möglich aus der Affäre zu ziehen.
„ Also, wenn du mal Hilfe brauchst, meine Schöne ... Jederzeit. Denver Ray ist schon zur Stelle.“ Er fuhr sich mit seiner Hand durch die gegelten Haare und Lilly hoffte, dass er sie damit nicht noch berühren würde.
„ Danke. Ich werde es mir merken.“ Sie lächelte gequält und huschte flink durch die Schwingtüren aus Glas, die ihr den Weg in die Freiheit ermöglichten. Wegen diesem Ray Denver hatte sie die Lust verloren, weiter in der Schule herumzustöbern und sich alles in Ruhe anzusehen. Da ging sie lieber nach Hause, bevor er sie noch verfolgte und weitere dumme Fragen stellte.
„ Hallo Ben. Heute war mein erster Schultag an der neuen Schule. Mein Klassenlehrer ist toll. Er unterrichtet so bildhaft, kann alles sehr gut erklären. Auch meine neuen Mitschüler sind sehr nett. Sie haben mich am Freitag in die Disco eingeladen. Ich hätte nie gedacht, dass es hier in Harts so etwas wie eine Disco gibt. Das Schönste ist aber, dass ich ein Mädchen getroffen habe, das auch Violine spielt. Morgen früh werde ich mit ihr zusammen vor dem Unterricht etwas üben, dann fühle ich mich schon viel mehr wie zu Hause. Ich bin mir sicher, dass ich mich hier sehr gut einleben kann. Wie ergeht es dir mit deinem Studium? Damit du etwas besser lernen kannst, sende ich dir ein kleines Video mit.
Lilly“
Mit ernstem Blick überflog sie diesen Text und hämmerte auf ihrem Laptop herum, änderte ständig die Sätze, löschte etwas und schrieb Neues hinzu.
„ Kann ich das so abschicken? Oder nicht ... Oder doch?“ Lilly ließ sich zurück in ihre Kissen fallen, starrte verzweifelt an ihre Zimmerdecke. Mittlerweile war es dunkel geworden und das Licht des Warm Shelters durchflutete ihr Zimmer wie eine angenehme Welle, die sie in ihren Gedanken zu umspielen schien. Da sie mit ihrer E-Mail nicht weiter kam, entschloss sie sich, das Video ihres Violinenspiels aufzunehmen. So startete sie ihre Aufnahme, schnappte sich ihre Violine und stellte sich vor ihr Bett, so dass sie aufgenommen werden konnte.
„ Ich spiele für dich das Stück `Devil‘s Thrill´. Es ist sehr temporeich und darum schwer zu spielen, aber ich liebe es trotzdem.“ Sie setzte ihren Bogen an die Saiten und begann zu spielen, schloss ihre Augen und genoss es, sich ganz dem Stück hinzugeben, es zu fühlen und ihre ganze Energie in ihr Spiel einfließen zu lassen. Sie bemerkte nicht, wie ihr Bruder sich hereinschlich, sich auf ihr Bett setzte und an ihren Laptop ging. Erst als Lilly fertig war und noch ein paar liebe Worte in die Kamera sprechen wollte, die immer noch aufzeichnete, entdeckte sie ihn.
„ Leonhard …“, zischte sie und hastete zu ihm auf das Bett.
„ Warte!“ Erschrocken klappte Leonhard den Laptop zu.
„ Ich wollte doch nur …“, stammelte dieser und ließ sich so den Laptop aus den Händen nehmen.
„ Ich hab‘ was aufgenommen ... Jetzt muss ich das noch mal machen!“ Lilly rollte genervt ihre Augen.
„ Du hast doch deinen eigenen Computer, was wolltest du denn an meinem?“ Sie klappte ihn wieder auf und schaute nach, ob etwas mit ihrer E-Mail passiert war.
„ Ich habe aber kein Internet.“
„ Aus gutem Grund. Du bist noch viel zu jung für so was. Mama und Papa haben doch gesagt, erst wenn du zwölf bist, früher nicht, und wenn, dann sollst du fragen. Fragen, Leonhard, nicht einfach an meinen Laptop gehen, wenn ich etwas aufzeichne“, tadelte sie ihren kleinen Bruder, doch bereits im nächsten Moment wurde sie kreidebleich. Die E-Mail war abgesendet worden, samt aufgezeichnetem, unbearbeitetem Videomaterial.
Mit offenem Mund und hektischen Versuchen, die E-Mail aufzuhalten, was natürlich nicht möglich war, hämmerte sie auf ihren Laptop ein.
„ Was hast du gemacht?“, kreischte sie und starrte Leonhard an, der sich aus ihrem Zimmer zu stehlen versuchte.
„ Die Mail war doch fertig ... Du hast nur vergessen, auf Senden zu drücken.“
„ Die war noch gar nicht fertig!“
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