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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. M. Goeglein
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Sara Jane. Du bist dir dessen vielleicht nicht bewusst, aber da ist etwas in dir, das ist … so stark …« Er unterbrach sich und versuchte, die Tränen zurückzuhalten, dann fuhr er fort: »Du hattest recht, ich hätte dir alles über die Familie erzählen sollen, über die Bäckerei und über mich. Vor allem über mich. Und jetzt ist dafür keine Zeit …« Er bewegte ruckartig den Kopf und hatte offenbar etwas gehört, das die Kamera nicht erfasste. Mit verzerrtem Gesicht spannte er seine Muskeln an und schaffte es, seine Hände von den Stricken zu befreien; er rieb sich die Handgelenke und streckte seine Finger. Unruhig warf er einen Blick über seine Schulter, und dann sprach er weiter, schneller und verzweifelter: »Sie hören mich vielleicht, und er könnte … hör genau zu, meine Kleine. Blicke in meine Worte und hinter sie.«
    Ich rückte näher an den Bildschirm.
    Ich berührte sein Gesicht und spürte kaltes Glas.
    Er sah mich an und flüsterte: »Sara Jane … geh zum Gott des Feuers. Geh dorthin, geh hindurch und entdecke all seine Geheimnisse. Der Gott des Feuers, Sara Jane … hörst du mich? Seine Geheimnisse werden dich retten. Der Gott des Feuers …«
    »Was für ein Gott? Mit wem redest du da?«, fragte eine hohe, schrille Stimme aus dem Off. Die schlechte Tonqualität ließ mich lediglich erkennen, dass es eine Frau war, die da sprach. Der Skimaskenmann stapfte mit dem Rücken zur Kamera ins Bild, und die Stimme kreischte: »Mit wem hast du geredet? Was hast du gerade gesagt?«
    Schwach erwiderte mein Vater: »Geht zur Hölle.«
    Der Skimaskenmann riss ihn hoch, und mein Vater verzog das Gesicht vor Schmerz, als er das gebrochene Bein belasten musste. Ein oder zwei Sekunden stand er schwankend da, und dann holte er aus, schlug seine Faust mit einem perfekten linken Haken gegen das Kinn des Skimaskenmanns, der sich daraufhin wie in Zeitlupe neigte – wie eine hohe Fichte, die beim Holzfällen ganz allmählich kippt. Aber dann fand er wieder das Gleichgewicht, schüttelte sich und griff mit beiden Händen zu. Sie legten sich um den Hals meines Vaters wie später auch um meinen, und ich konnte es wieder fühlen, während ich zusah, wie nun mein Dad versuchte, sich aus dem tödlichen Schraubstock herauszuwinden.
    »Du wiederholst das jetzt, oder du bist tot«, zischte die Frau. »Mit wem hast du gesprochen ?«
    Die Züge meines Vaters verkrampften sich durch den Sauerstoffmangel, seine Augen quollen aus den Höhlen, und seine Finger zerrten wild an den Händen seines Peinigers, während er noch ein paar letzte Worte hervorstieß, bevor das Band zu Ende war.
    Ich hörte seine Stimme, aber der Ton rauschte entsetzlich, und ich war mir nicht sicher, was er sagte.
    War es eine ganz allgemeine Bitte um Gnade?
    Nein, bitte! Nein, bitte! Nein …!
    Oder war es – ein schrecklicher Gedanke – etwas viel Spezielleres?
    Nein, Buddy! Nein, Buddy! Nein …!
    Die Abgründe eines geplagten Hirns im Ruhezustand sind schreckliche Orte, denn sie kennen keine Grenzen – kein Hin oder Zurück und keinen Anfang und kein Ende. Sie sind zeitlose, bodenlose Gruben, in die sich eine schlafende Seele zurückzieht, um zu betrachten, was sie quält.
    Der Energielevel des Körpers sinkt ab, und der Blutkreislauf verlangsamt sich.
    Glieder werden reglos und die Augenlider flattern.
    Leise Hinweise entweichen flüsternden Lippen.
    Währenddessen summt das Unterbewusstsein wie eine schreckliche, geplagte Kreissäge. Es läuft schneller und schneller, zerreißt die Ereignisse des Tages, zerfetzt vergessene Erinnerungen und hackt alle Hoffnungen auf die Zukunft in Stücke. Zwischen den zersplitterten Trümmern sucht es nach einer Antwort, oder wenn schon nicht nach einer Antwort, dann nach einem Entschluss, oder wenn schon nicht nach einem Entschluss, dann nach Frieden.
    Willy hatte recht – irgendwie schlief ich ein.
    Es war kein erholsamer Schlaf.
    Ich erwachte auch nicht friedlich oder mit einem frisch gefassten Entschluss auf.
    Aber ich fand eine Antwort.
    Am späten Samstagnachmittag wurde ich blinzelnd wach und wusste sofort, wo ich war und was passiert war. Graues Sonnenlicht leckte durch die Glasfenster, und irgendwie hatte Harry es geschafft, auf mein Feldbett zu kriechen: Er lag mit dem Kopf an meine Brust gekuschelt da. Ich starrte an die Decke und ließ meinen Traum noch einmal an mir vorüberziehen, einen Traum, der eigentlich mehr ein Durchstöbern meiner Erinnerungen gewesen war, in denen ich bis an die Stelle

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