Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Darin bleibe ich mir treu.
ABSCHEULICHER LORD BILLY
Sie erheben niemals die Hand, weil Sie überhaupt nie etwas tun! Sie sitzen nur herum und schauen zu, während andere Männer handeln! Sie hocken nur deshalb auf dem Thron, weil Sie vor lauter Untätigkeit und Speck gar nicht mehr davon hochkommen!
GUTER KÖNIG DOUG
Aber zumindest wünsche ich niemandem, dass er zu Schaden kommt.
ABSCHEULICHER LORD BILLY
Ein Wunsch ist auch nur ein Hirngespinst. Bloß Zuckerwatte, von der Sie wahrscheinlich ein paar Tonnen in sich reingestopft haben, so, wie Sie aussehen.
GUTER KÖNIG DOUG
Aber … aber …
ABSCHEULICHER LORD BILLY
Arschgesicht, du hässlicher Fettsack! Du blödes, fettes Opfer! Wieso guckst du nicht noch irgendeinen Film und frisst noch eine Tüte Chips und dann vielleicht eine Schachtel Rattengift, du Schwabbelschwein!
GUTER KÖNIG DOUG
Sie … Sie … Sie haben recht, Mylord. … Ich …
Hier brach der Dialog ab, aber die Worte liefen weiter, nun als Gedankenbruchstücke ohne Verbindung, die aufeinandertrafen und sich gegenseitig wegzuschieben suchten.
»… Ich wäre besser dran, wenn ich tot wäre, dann ginge es mir besser, denn Billy hat recht, das wusste ich auch immer, ich bin ein fettes Stück Scheiße, ein blödes, fettes Opfer, ich kann nichts tun und werde auch nie was tun, nicht einmal mich selbst verteidigen, nicht einmal für mich selbst einstehen, ich gucke immer nur zu, ich sitze auf meinem fetten Arschgesicht und sehe zu, wie das Leben an mir vorbeigeht, ich verdiene den Tod, ich guck mir einen Film nach dem anderen an, weil ich so nutzlos und überhaupt nicht auf das Leben vorbereitet bin und immer nur Schiss habe, und da möchte ich lieber gar nicht leben, ich würde lieber sterben, und das werde ich auch tun, das werde ich wirklich machen, ich werde ein Riesenpäckchen Rattengift fressen, dann habe ich zumindest einmal etwas getan …«
»Was machst du da?«
Doug stand in der Tür. In diesem Moment konnte ich unmöglich so tun, als hätte ich den Text nicht gelesen, und deswegen sagte ich nur: »Tu’s nicht, Doug.«
Er ging schnell zum Tisch, klappte das Laptop mit einem Schlag zu und murmelte: »Das Drehbuch ist privat.«
»Das ist kein Drehbuch«, widersprach ich. »Das ist ein Abschiedsbrief.«
»Nein, ist es nicht«, erwiderte er bitter. »Das Wörtchen Brief impliziert, dass ihn irgendwann mal jemand lesen wird, und es gibt wohl niemanden, dem ich dazu genug bedeuten würde.«
»Es gibt mich«, sagte ich und spürte, wie sich meine Kehle zusammenschnürte. Graue Ringe lagen um seine Augen und er wirkte weicher und eine Größe kleiner, wie ein Schlauchboot, das etwas Luft gelassen hat.
Er wich meinem Blick aus und fragte: »Und wer bist du? Meine kleine Filmfreundin?«
»Keine Filmfreundin«, sagte ich, »sondern einfach nur Freundin, ohne Einschränkungen.«
»Aber mit reichlich Mitleid für den Dicken, der sein ganzes Hirn mit Geschichten über das Leben anderer Menschen vollgestopft hat«, sagte Doug. »Spar dir das für irgendein anderes Opfer. Ich brauch es nicht mehr, und du und alle anderen, ihr werdet ohne mich auch besser dran sein.«
»Du irrst dich«, sagte ich und schüttelte den Kopf.
»Nein, du irrst dich!«, schrie er nun, mit so viel Lebensenergie, wie ich es nie zuvor bei ihm erlebt hatte. »Meine Eltern haben sich scheiden lassen, mein bekiffter Vater ist schon vor einer Ewigkeit abgehauen, und meine Mutter, die ihre Wodkaflasche gerade noch lange genug absetzt, um mir zu sagen, was für eine Enttäuschung ich bin, ist mit einem Arschloch von Rechtsanwalt verheiratet, der meinen schwabbligen Anblick hasst! Ich habe keine Geschwister oder Freunde – ich habe nichts außer Filmen, kapierst du? Ich habe nichts, und du hast alles!«
»Nein«, sagte ich.
»Du hast tolle Eltern!«
»Nein.«
»Einen Bruder, eine ganze Familie!«
»Nein.«
»Ein Zuhause, wo dich jeder liebt!«
»Nein, verdammt noch mal! Hab ich nicht!«, brüllte ich, und dann packte mich ein Weinkrampf, der wie ein Tsunami über mich hinwegrollte. Das brachte Doug wieder zur Besinnung, und er schwieg. Ich wischte mir das Gesicht mit den Händen ab, klemmte mir das Haar hinter die Ohren und sagte noch einmal: »Tu es nicht, Doug.«
Ganz ruhig und mit einer Stimme, als ob ihn das wirklich interessierte, fragte er: »Wieso nicht?«
»Weil«, begann ich, »weil ich nicht noch jemanden verlieren kann, der mir etwas bedeutet.«
»Wen hast du denn sonst noch verloren?«
»Das ist
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