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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. M. Goeglein
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der nur ein paar Meter entfernt träge dahinfließt. Mit dem Auto kann man schnell in eine dieser alten Buchten abbiegen, in den Schatten anhalten und damit für kurze Zeit von der Erdoberfläche verschwinden. Ich fand eine hübsche, dunkle Ecke, hielt den Lincoln an und stieg aus. Der Fluss strömte direkt hinter einem Maschendrahtzaun vorüber – genau der richtige Ort, um einen Telefonanruf zu tätigen, ohne gesehen oder gehört zu werden. Ich wählte die Nummer aus dem Notizbuch. Am anderen Ende hörte ich jemanden husten, als ob er wirklich irgendetwas, das ganz hinten in seiner Kehle saß, nach oben befördern wollte, und dann sagte eine Stimme, die wie nasse Kiesel klang, »BabyLand«.
    Schnell prüfte ich die Nummer noch einmal, und sie stimmte. Dann las ich das Passwort. »Äh … Sankt Valentin ist ein Freund von mir?«
    Nach einer Pause sagte die Stimme: »In einer Stunde am Green Mill.«
    »Das Green Mill – wo ist das?«
    Als Antwort drang wieder ein röchelndes Husten aus dem Hörer, das mit einem Schmatzen endete, und dann bellte mein Gesprächspartner: »Was denn, hast du keine Karte?« und legte auf. Ich starrte das Telefon an, das sich plötzlich irgendwie verkeimt anfühlte, dankte Al für die paar Dutzend weiterer Geräte, die ich noch besaß, und warf es in den Fluss.
    Eine Stunde später hatte ich in einem richtigen Telefonbuch nachgesehen und stand vor einer altmodischen Cocktailbar, über deren Tür ein grünes Neonschild THE GREEN MILL verkündete. Ich schob mich durch die Tür, und sofort wurde die helle Nachmittagssonne vom schummrigen Kneipenlicht verschluckt. Die Bar zog sich von der Eingangstür bis in den hinteren Teil des Saales, machte dann einen scharfen Knick und ging über Eck weiter. Kleine Sitzecken säumten die Wand, altertümliche Wandlampen verströmten rosa Licht, und auf der anderen Seite des Raumes befand sich eine niedrige kleine Bühne. Der Barmann hatte sich über eine Zeitung gebeugt, blickte kurz uninteressiert auf und las dann weiter. Es waren nur noch zwei andere Gäste im Lokal, ein massiger Kerl mit einer höchstwahrscheinlich gebrochenen Nase, der auf einem Barhocker saß und in ein Glas mit brauner Flüssigkeit stierte, und ein alter Mann, der auf einem dieser elektrischen Rollstühle hockte, die ein bisschen wie Golfmobile aussehen. Ich tippte auf die gebrochene Nase, also trat ich neben den Mann und fragte leise: »Sind Sie das?«
    »Nein«, gab er zurück und hob sein Glas. »Ich bin betrunken.«
    »Hey, Einstein«, sagte eine Stimme wie nasser Kies. Es war der alte Mann auf dem Elektromobil, und er neigte den Kopf in meine Richtung. Ich ging zu ihm hinüber, und er sagte: »Entspann dich mal.«
    Ich setzte mich auf einen Hocker und sah mich um. »Darf ich überhaupt hier drin sein?«
    Er nahm seinen schmierigen Gangsterhut ab, zog eine schon einmal angerauchte und eklig zerkaute Zigarre aus dem Hutband und fragte: »Wie alt bist du?«
    »Sechzehn.«
    Er riss ein Streichholz an, um das Ding anzuzünden, und blies dann Rauch durch altersgelbe Zähne. »Du meine Güte. Du bist ja noch jünger als der andere.«
    »Welcher andere?«
    »Vergiss es«, sagte er und bekam einen Hustenanfall, der seinen massigen Körper erschütterte, als ob es eine Art persönliches Erdbeben sei, das er geradezu genoss. Mir wurde klar, dass er noch viel älter war, als ich zuerst geschätzt hatte, und auch wesentlich größer. Die Hände, die er sich jetzt vor den Mund hielt, waren groß wie Klodeckel, die Knöchel wie rote, aufgeknackte Walnüsse. Sein Gesicht wurde von einer Narbe durchzogen, die über seiner linken Augenbraue begann, über seinen Nasenrücken verlief und dann kurz unterhalb seiner Unterlippe endete. Insgesamt bot er mit seiner kränklich blassen Haut, diesen riesigen Wurstfingern, den Schlupfhosen mit ihrem breitem, elastischem Bund und den Klettverschlussschuhen einen ziemlich unangenehmen Anblick, und mit ihm zu reden war noch deutlich unangenehmer. Als er sich die Kehle freigehustet hatte, saugte er wieder an seiner Zigarre und fragte: »Also, wer zum Teufel bist du, und wie bist du an diese Nummer rangekommen?«
    »Woher ich die Nummer habe, spielt keine Rolle.« Dies war der entscheidende Augenblick, das wusste ich. Es war ein Risiko gewesen, über das Notizbuch mit dem Syndikat in Kontakt zu treten; schließlich bestand die Möglichkeit, dass meine Familie verschwunden war, weil die Verbrecherorganisation meinen Vater für eine Ratte hielt. Sobald ich meine

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