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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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schenkte ein. »Nein, bloß Thai-Brandy. Ich hätte vorher fragen sol en, ob Sie überhaupt Alkohol trinken.« Er reichte Siri ein Glas. Der dankte seinem großzügigen Gast mit einem Nicken.
    »Gehört das bei der Polizei neuerdings zum Service?«
    »Ich habe gelernt, älteren Menschen mit Respekt zu begegnen.«
    »Sie brauchen sich bei mir nicht lieb Kind zu machen.«
    »Ich weiß.«
    »Prost.«
    »Prost«. Sie tranken.
    »Mir scheint, Sie haben im Lager einiges gelernt.«
    »Es war eine wertvol e Erfahrung. Immerhin kann ich jetzt dreiundsiebzig Gemüsesorten auseinanderhalten. Ich könnte Ihnen sagen, wie alt ein Reishalm oder im wievielten Monat eine trächtige Büffelkuh ist.«
    Siri lachte. »Prost.«
    »Prost.«
    Sie leerten das erste Glas, und Siri nahm die Flasche und goss nach.
    »Dann ist es ihnen also nicht gelungen, Sie zum Kommunismus zu bekehren?«

    »Sie haben mir beigebracht, die Werte des sozialistischen Systems und die gewaltigen Errungensch…«
    »Schon gut, schon gut. Lassen wir das. Erzählen Sie mir von dem Menschen Phosy.«
    Im Lauf der nächsten Stunde erfuhr Siri, dass Phosy verheiratet gewesen war und zwei Kinder hatte. Während seines Lageraufenthalts waren sie über den Fluss geflohen; seitdem hatte er nichts mehr von ihnen gehört. Er war in ein Haus ohne Familie, ohne Möbel heimgekehrt und wohnte derzeit in einem kleinen Zimmer.
    Phosy erfuhr, dass auch Siri verheiratet gewesen war und seiner Frau lebenslange Treue geschworen hatte. Da sie den Kampf für »die Sache«
    partout nicht hatte aufgeben wol en, war ihre Ehe kinderlos geblieben. Das machte die Einsamkeit umso unerträglicher, seit sie vor elf Jahren unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen war, worauf Siri jegliche Lust am Leben, an der Arbeit und der Stärkung der Kommunistischen Bewegung verloren hatte.
    Es war erstaunlich, was zwei Fremde in so kurzer Zeit mit Hilfe einer Flasche Thai-Brandy voneinander lernen und erfahren konnten. Interessant auch, dass jeder den anderen auf Anhieb richtig eingeschätzt und für vertrauenswürdig befunden hatte.
    »Wol ten Sie wirklich einen Fal mit mir besprechen, oder haben Sie sich lediglich der Hoffnung hingegeben, dass ich eine Flasche Schnaps mitbringe?«
    Siri wusste, dass er zu weit gegangen war, um jetzt noch einen Rückzieher zu machen. Er senkte die Stimme. »Ich kann Ihnen gern davon erzählen, ich weiß nur nicht, ob Sie überhaupt Interesse daran hätten, in der Sache zu ermitteln.«
    »Warum nicht?«
    »Weil Sie das in Schwierigkeiten bringen könnte.«
    »Und Sie? Haben Sie keine Angst, in Schwierigkeiten zu geraten?«
    »Ich stecke ständig in Schwierigkeiten.«
    »Wer hat Ihnen gesagt, dass Sie mir vertrauen können?«

    »Ihr mongoloider Cousin und Ihre hämorrhoidengeplagte Schwester.«
    Lachend leerten sie das letzte Glas.
    »Glauben Sie ihnen kein Wort. Die reden viel, wenn der Tag lang ist. Haben Sie Kaffee?«
    Während Siri reichlich Kaffeepulver in den Aluminiumfilter gab, legte er Phosy die offiziel e Version von Frau Nitnoys Ableben in groben Zügen dar. Doch kaum hatte er die dampfenden Becher auf den Tisch gestel t, ging er zum Fenster und schloss die Läden.
    Herrn Ketkaews Auftritt in der Klinik hatte ihn daran erinnert, dass die Wände Ohren hatten: im Tempel, im Haus, im Nebenzimmer. Der Jugendverband brachte den Kindern bei, das Geschwätz ihrer Eltern zu belauschen und gegebenenfal s zu melden. Abschnittsbevol mächtigte wie Ketkaew lauerten unter offenen Fenstern und lauschten mit gespitzten Ohren auf Verrat und die Sendungen des thailändischen Rundfunks. Die Laoten waren für ihre Gelassenheit nachgerade berühmt, aber dieses ewige Misstrauen machte sie al mählich paranoid.
    Siri nahm seinen Stuhl und setzte sich neben Phosy. Er war gerade bei den Tests vom Dienstag. Er sprach im Flüsterton. »Im Gehirn fand sich nicht der leiseste Hinweis auf Parasitenbefal . Nichts. Dabei hätte es bei einem so plötzlichen Tod wenigstens Zysten aufweisen müssen.«
    »Könnten sich die Parasiten nicht woanders eingenistet haben?«
    »Dann hätte sie vorher unter erheblichen Beschwerden gelitten. Da sie aber quasi auf der Stel e tot umgefal en ist, hätten sie schon im Gehirn sitzen müssen. Also haben wir am Gymnasium einige Tests durchgeführt. Und im Magen eine hohe Konzentration von Zyanid gefunden.«
    »Zyanid?« Sie wurden ziemlich schnel wieder nüchtern.
    »Eine tödliche Dosis. Zu Untersuchungszwecken hatte ich zwar ein wenig Magenflüssigkeit

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