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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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früher erhalten.« Er strafte Siris Lächeln mit einem finsteren Blick, ohne Erfolg.
    »Ausgezeichnet, Genosse.« Siri fragte sich, wie lange es wohl noch dauerte, bis der Inpektor aufsprang und Haeng die Hosenknöpfe polierte.
    »Wo ist die andere Leiche?«, fragte Siri.
    »In der vietnamesischen Botschaft.«
    »Ich wusste gar nicht, dass es dort eine Kühlkammer gibt.«

    »Gibt es auch nicht. Soviel ich weiß, liegt sie auf Eis.«
    »Wozu?«
    »Damit ein vietnamesischer Pathologe sie sich ansehen kann.«
    »Ein vietnamesi… Trauen Sie mir etwa nicht?«
    »Hier geht es nicht um Vertrauen, Siri. Sol ten die Vietnamesen an ihrem Mann dieselben Folterspuren feststel en wie Sie an Ihrem, könnte das zu äußerst peinlichen internationalen Verwicklungen führen.«
    »Warum ›ihr Mann‹?«
    »Darum.« Haeng hielt einen schmalen Aktenordner ausgestreckt, in der sicheren Erwartung, dass Siri ihn sich holen würde. Stattdessen sprang der Polizeibeamte wie ein dressiertes Hündchen auf und reichte Siri den Ordner.
    Er blieb neben Siri stehen und tat seine Ansicht kund, kaum dass die Leichenfotos zum Vorschein kamen.
    »Traditionel e vietnamesische Tätowierungen. Sehr auffal end.«
    »Sehr auffal end, in der Tat«, pflichtete Siri bei. Ein bisschen zu auffal end für seinen Geschmack. »Wann wurde er zur vietnamesischen Botschaft umgeleitet?«
    »Die Arbeiter am Stausee haben die Tätowierungen erkannt. Sie haben die Botschaft angerufen, und die hat einen ihrer Berater geschickt.« An vietnamesischen »Beratern« herrschte in der Hauptstadt und Umgebung wahrlich kein Mangel. Zyniker - und Siri war einer der Gründerväter des Zynismus - vertraten die Auffassung, bei al den guten Ratschlägen aus Hanoi sei es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis Vietnamesisch als Amtssprache eingeführt wurde. »Sie können sich sicher denken, wie heikel diese Sache ist«, schwadronierte Haeng. »Ein vietnamesischer Staatsbürger, der in Laos verhört und gefoltert wurde. Das Kabinett hat sich gestern eingehend mit der Angelegenheit befasst. Wir werden darum ersuchen, dass Sie bei der Obduktion als Zeuge und Experte zugelassen werden.«
    »Ersuchen? Was heißt hier ersuchen? Wir sind in Laos. Ich finde, wir sol ten ausdrücklich darauf bestehen.«
    »So einfach ist das nicht.«

    »Das sol te es aber sein. Noch sind wir schließlich keine vietnamesische Provinz.«
    »Siri, wenn Sie zu den Vietnamesen gehen, kann ich Ihnen nur raten, Ihre Zunge zu hüten. Unsere Nachbarn sind nämlich nicht so verständnisvol wie wir.«
    Die Sitzung dauerte länger als sonst, weil Haeng sich genötigt sah, sämtliche Fäl e auszubreiten, bei denen Siri und er »kooperiert« hatten. Aber da der Doktor wohlweislich den Mund hielt, ging es vergleichsweise schmerzlos ab.
    Langeweile machte sich breit - Siri blickte immer wieder sehnsüchtig zur Tür als Haeng von neuem hustete.
    »Ich habe nachgedacht, Doktor. Jetzt, wo Ihre Abteilung mit der Polizei zusammenarbeitet, wird es, glaube ich, langsam Zeit, den Idioten loszuwerden.«
    Siri lief ein Schauder über den Rücken. »Den Idioten? Ach, ich weiß nicht.
    Zugegeben, er fäl t hin und wieder aus, aber das ist meines Erachtens kein Grund, um Direktor Suk den Stuhl vor die Tür zu setzen. Außerdem hat er Familie. Bitte geben Sie ihm noch eine Chance.«
    »Direktor… ? Du lieber Himmel, nein, Siri. Ich rede von dem Schwachkopf, der Ihnen in der Pathologie assistiert. Ich wäre eventuel geneigt, Ihnen für diesen Posten ein vol es Gehalt anzubieten.«
    »Wie schön. Da wird sich Herr Geung aber freuen, wenn ich ihm sage, dass er künftig einen Lohn bekommt, von dem man leben kann.«
    »Sind Sie schwerhörig? Ich habe gesagt, Sie sol en ihn entlassen und einen normalen Menschen einstel en.«
    »Ich kann ihn nicht entlassen. Er ist der Einzige, der sich wirklich auskennt.«
    »Er ist geistesgestört.«
    »Sind wir das nicht al e?«
    »Was Sie betrifft, mache ich mir al mählich Sorgen, Doktor.«
    Siri seufzte. »Richter Haeng, Herr Geung leidet unter einer milden Form des Down-Syndroms. Mit dieser Krankheit ist er für monotone Tätigkeiten wie geschaffen. Mein Vorgänger hat viel Zeit in seine Ausbildung investiert. Und was Geung einmal gelernt hat, vergisst er nicht so leicht. Er ist weder gefährlich noch ungeschickt, und seine Krankheit wird die meisten unserer Kunden schwerlich stören.
    Er arbeitet seit drei Jahren in der Pathologie, und wenn ich sage, er kennt sich dort besser aus als ich, ist das keine

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