Colin Cotterill
abgepumpt, aber leider keine festen Bestandteile zurückbehalten. Der Mül wurde am Montag abgeholt. Als sich herausstel te, dass wir ihn viel eicht noch brauchen könnten, war er leider schon verbrannt.
Ich vermute, dass sich die Tablette im Magen noch nicht ganz aufgelöst hatte, sodass nur ein Teil des Wirkstoffes ins Blut gelangte. Der Rest setzte im Verbrennungsofen Dämpfe frei. Der Ofen ist nicht luftdicht. Am nächsten Morgen meldete sich der für die Mül verbrennung zuständige Hausmeister krank. Er wies eindeutige Anzeichen einer Zyanidvergiftung auf. Rings um den Ofen fand ich einige tote Kakerlaken, die wir ebenfal s untersuchten. Das Ergebnis war positiv.«
»Wie kommen Sie darauf, dass ihr das Zyanid in Tablettenform verabreicht wurde?« Phosy beugte sich vor. Er hatte seinen Kaffee nicht angerührt. Siri erzählte ihm von Frau Nitnoys Kater und den Kopfschmerztabletten.
»Ich hatte gehofft, im Fläschchen Spuren von Zyanid zu finden. Stattdessen zogen wir das große Los.«
»Eine zweite Tablette?«
»In dem Fläschchen waren noch drei Tabletten. Eine davon war reines Zyanid. Der Täter hatte sie abgefeilt, damit sie genau so aussah wie die anderen. Die anderen Unionsfrauen haben großes Glück gehabt.«
»Der Täter hat also zwei Kopfschmerztabletten durch Zyanid ersetzt. Er wusste zwar nicht, wann sie die Tabletten nehmen würde, aber das war wohl auch nicht so wichtig. Haben Sie mit dem Genossen Kham darüber gesprochen?«
»Ah, jetzt wird es kompliziert.« Er erzählte Phosy, dass der Genosse der Pathologie am Montag einen Besuch abgestattet hatte und er den Bericht seither vermisste. Dass Frau Nitnoy kurzzeitig von den Toten auferstanden war, behielt er wohlweislich für sich.
Der Polizist stieß einen leisen, langgezogenen Pfiff aus und leerte seinen Kaffeebecher. »Schöne Bescherung.«
»Mal sehen, ob mein halbfertiger Bericht nicht als offiziel e Verlautbarung wieder auftaucht.«
»War der Bericht unterschrieben?«
»Nicht, solange er auf meinem Schreibtisch lag.«
»Gut, ja. Das würde den Genossen schwer belasten. Ich finde, Sie sol ten in dieser Sache Stil schweigen bewahren, bis wir Genaueres wissen. Das Justizministerium hat in letzter Zeit nicht al zu viel zu tun. So eine Geschichte würde im Nu bis ganz nach oben durchsickern. Und was glauben Sie wohl, was Ihr Freund Haeng damit anstel en würde?«
»Das ist es ja eben: Ich habe keine Ahnung, wie die Leute reagieren würden.
Früher, im Norden, regelte sich so etwas von selbst. Da gab es einen Ehrenkodex. Aber seit wir ein zivilisiertes Land sind, scheinen manche Leute mit Vergnügen in genau die Rol en zu schlüpfen, die ihnen unter dem alten Regime so verhasst waren. Ich weiß nicht, wem ich trauen sol .«
Nach einem zweiten Kaffee gingen die beiden Männer nach unten. Saloop schob Nachtschicht. Es war nach elf, und er war hel wach. Er kam angesprungen und bel te Siris Bein an; nur Zentimeter trennten ihn von einem möglichen Tritt in die Schnauze. Er war sich der Gefahr anscheinend nicht bewusst.
»Was hat der Hund?«
»Er mag jeden. Nur mich nicht. Hunde konnten mich noch nie leiden. Sie brauchen mich bloß zu riechen, und schon spielen sie verrückt.«
»Komisch.«
Er schaute nach oben. Der hölzerne Laden des Vorderfensters schloss sich knarrend. Siri folgte Phosys Blick.
»Nacht, Fräulein Vong.« Sie gab keine Antwort. Siri wusste, dass sie sehen wol te, mit wem er sich in seinem Zimmer verlustierte. Fal s sie überhaupt romantische Gefühle hegte, wäre sie von diesem gutaussehenden Polizisten gewiss beeindruckt gewesen.
Als er auf sein altes Moped stieg und die Hunde in der Nachbarschaft zu bel en und zu jaulen anfingen, beugte Phosy sich zu Siri und sagte ihm ins Ohr: »Lassen Sie mich ein Weilchen über diesen Fal nachdenken, bevor wir etwas unternehmen.«
»Wir?«
Die beiden Männer lächelten, und Phosy warf die Maschine an und raste davon. Siri stand einsam mitten auf der Straße, in eine Qualmwolke gehül t, den Hunden schutzlos ausgeliefert. Obwohl sie ihn in einem fort bedrohten, war er noch nie gebissen worden, kein einziges Mal. Fräulein Vongs Fensterladen hatte sich einen Spaltbreit geöffnet.
»Nacht, Fräulein Vong.«
»Gehen Sie ins Bett, Dr. Siri.«
Am Samstag hatte Siri einen entsprechend dicken Kopf. Der Stuhl quietschte, als er von seinem Forensiklehrbuch aufsah und sich zurücklehnte. Er fasste sich an die Stirn und durchkämmte die Französischabteilung seines Gedächtnisses
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