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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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Übertreibung. Er erinnert mich ständig an Versäumnisse und wo was zu finden ist. Er hat ein fantastisches Gedächtnis, und Schwester Dtui und ich haben einen Narren an ihm gefressen.«
    Haeng wurde al mählich ungehalten. Er klopfte so fest mit dem Bleistift auf den Tisch, dass die Spitze abbrach. »Ich bin zutiefst gerührt. Mir kommen gleich die Tränen. Aber nun zurück zur Vernunft. Können Sie sich vor stel en, wie das aus-sehen würde, wenn ein Würdenträger der Partei unsere Klinik besichtigt?«
    »Und sieht, dass ich keine Plastikschuhe trage und Dtui keine Unterwäsche…«
    »Doktor!«
    »Würdenträger der Partei machen um die Pathologie gewöhnlich einen großen Bogen; und sol ten sie sich doch einmal dorthin verirren, werden sie beeindruckt sein von dem ungeheuren Mitgefühl und der immensen Weitsicht, die unsere große Republik beweist, indem sie Angehörige gleich dreier Minderheiten an ein und demselben Arbeitsplatz vereint. Frauen, Kretins und scheintote Greise, al e unter einem Dach.«
    Phosy, der diese peinliche Auseinandersetzung schweigend und scheinbar ungerührt verfolgt hatte, räusperte sich geräuschvol und sagte: »Ich habe einen mongoloiden Cousin. Er ist völ ig harmlos. Freitags brät er uns sogar Bananen. Meistens denken wir gar nicht daran, dass er verrückt ist.«
    Siri und Haeng sahen den Polizisten an, der ihren Blicken beschämt auswich.
    Mit dieser simplen Bemerkung hatte er nicht nur Öl auf die schäumenden Wogen in Haengs Büro gegossen, sondern dem Richter obendrein zu verstehen gegeben, dass er überstimmt war. Haeng wil igte ein, Geung bis zum Ausgang einer diesbezüglichen externen Untersuchung auf seinem Posten zu belassen, zog sein Angebot, die Stel e mit einem vol en Gehalt auszustatten, wegen Geungs vermeintlich unzureichender Qualifikation jedoch zurück.

    Damit war die Sitzung beendet. Siri und Phosy schüttelten dem Richter die Hand und gingen zusammen zur Tür. Aber bevor er Siri auf den Korridor folgte, drehte Phosy sich noch einmal um.
    »Genosse Richter, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich unser heutiges Zusammentreffen inspiriert hat. Sie werden es mir hoffentlich nachsehen, wenn ich Ihnen versichere, dass die Begegnung mit Menschen wie Ihnen mich in meinem Glauben an das sozialistische System stets aufs Neue befeuert und bestärkt. Ich bin glücklich, dass mein Land mit so klugen Köpfen wie Ihnen gesegnet ist, zu denen man bedenkenlos aufblicken kann.«
    Als Siri das hörte, hätte er sich am liebsten übergeben. Der Polizist trat auf den Korridor hinaus, und schweigend gingen sie über den betonierten Fußweg zum Parkplatz. Da man ihm den Mann zugewiesen hatte, musste Siri wohl oder übel höflich sein. Phosy verstaute seine Aktenmappe in der Satteltasche seines alten französischen Mopeds.
    »Lebt Ihr Cousin bei Ihrer Familie?«
    Der Polizist starrte auf seine Stiefel. »Welcher Cousin?«
    »Ihr mongoloider, Bananen bratender Cousin.« Keine Reaktion. »Sie haben gar keinen Cousin, stimmt’s?«
    Inspektor Phosy stieg auf sein Moped. Der Anflug eines Lächelns spielte um seine Lippen. »Nein. Nur eine Schwester mit Hämorrhoiden.« Er musste den Kickstarter vier oder fünf Mal durchtreten, bevor die Maschine ansprang. Der Motor machte furchterregende Geräusche. Der Auspuff spuckte schwarzen Qualm, der hartnäckig in der Luft hing.
    Siri warf lachend den Kopf in den Nacken und fasste kurzerhand einen Entschluss. Den schnel sten und womöglich gefährlichsten Entschluss seit langem. »Ich muss mit Ihnen über einen Fal sprechen.«
    »Das hat bis Montag Zeit.«
    »Nein. Hat es nicht.«
    Der Inspektor blickte tief in Siris grüne Augen und nickte. »Ich komme heute Abend bei Ihnen vorbei.«
    »Sie wissen, wo ich wohne?«
    »Ich bin Polizist.«

    Ohne ein Wort der Erklärung schoss Phosy durch einen Pulk von Fahrrädern davon, sodass die Radler an dem schwarzen Qualm beinahe erstickten.
    Trotz der knarrenden Treppenstufen war es Phosy irgendwie gelungen, lautlos bis vor Siris Tür zu gelangen. Darum erschrak Siri, als es klopfte.
    »Herein.«
    Der Polizist trat ein. Die Schuhe hatte er ausgezogen und draußen stehen lassen. Er war salopp gekleidet und hielt eine Flasche in der Hand. Wer zu seinem Antrittsbesuch eine Flasche mitbrachte, konnte unmöglich ein schlechter Mensch sein. Siri betrachtete das Etikett. »Ich hoffe, das ist keine Urinprobe, die ich analysieren sol .«
    Phosy machte sich auf die Suche nach zwei Gläsern, wurde fündig und

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