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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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er zu Boden und schlief ein.
    Als er erwachte, hörte er, wie ein Löffel klappernd gegen einen Topf stieß, wagte es aber nicht hinzusehen. Er hörte, wie Suppe in eine Schüssel gegossen wurde, und versuchte, nicht hinzuhören.
    »Er ist wach.«
    Eine Männerstimme. Ein zweiter Mann grunzte eine Antwort. Siri schlug die Augen auf und sah einige Älteste, die sich in einer Ecke der Hütte drängten.
    Sie sprangen auf und eilten herbei. Sie schienen sich zu freuen. Das junge Mädchen, das er schon kannte, teilte Suppe aus. Sie roch köstlich.
    Siri sprach nicht mit den Männern. Er sah sie nur an. Er suchte nach auffäl igen Veränderungen, unpassenden Gesten, jähen Wechseln des Lichts.
    Tshaj meldete sich als Erster zu Wort.
    »Wie fühlst du dich, Yeh Ming?« Die Stimme schien echt, aber Siri hatte nicht vor, noch einmal denselben Fehler zu machen.
    »Wer bist du?«
    Die Männer wechselten ratlose Blicke. »Ich bin Tshaj. Stimmt was nicht?«
    »Welches Jahr haben wir?«
    »1976.«

    »Welches Datum?« Siri konnte sich nicht vorstel en, dass ein böser Geist einen aktuel en Kalender besaß.
    Wieder sahen die Ältesten einander ratlos an. Leider brauchten auch sie sich nicht darum zu kümmern, welches Datum heute war. Einer wagte einen Versuch.
    »November?«
    »Welcher Wochentag?«
    »Montag?«
    »Nein. Das kann nicht sein. Was ist mit Freitag, Samstag und Sonntag?«
    »Die hast du durchgeschlafen.«
    »Du hast geschlafen wie ein Stein seit… besagtem Abend.«
    Das war durchaus möglich. Seine Glieder waren bleischwer, und er hatte ungewöhnlich großen Hunger. Der Duft der Suppe wühlte in seinen Eingeweiden. Trotzdem war er immer noch nicht ganz zufrieden mit dem, was er sah.
    »Wo ist Lao Jong?«
    Tshaj starrte auf seine Hände. »Er hat uns verlassen.«
    »Sol das heißen, er ist tot? Gestorben? Am Exorzismus?«
    Die Männer nickten feierlich.
    »Er war körperlich nicht in der Verfassung, die Strapazen durchzustehen, die so eine Austreibung mit sich bringt. Er hatte so etwas noch nie gemacht, zumindest nicht in dieser Größenordnung. Er hatte ohnehin ein schwaches Herz, und der Phibob wusste das. Was die Geister ihn wohl haben sehen lassen, was ihm einen solchen Schock versetzt hat? Ich weiß es nicht und wil es eigentlich auch gar nicht wissen.«
    »Das glaube ich gern.«
    »Zum Glück hat Yeh Ming sich den Göttern geöffnet. Die Geister haben gekämpft wie der Teufel.«

    »Ich glaube, diesem Teufel bin ich leibhaftig begegnet. Was ist aus den Geistern geworden?«
    »Die sind wieder im Wald.«
    »Einfach so? Ihr wol t mir doch nicht etwa weismachen, sie haben einfach den Schwanz eingezogen und sind fröhlich in den Wald zurückgehoppelt?«
    »Von fröhlich kann keine Rede sein. Auch im Dschungel können sie jede Menge Unheil stiften. Aber jetzt, wo wir gewappnet sind, werden sie es sich zweimal überlegen, von uns Besitz zu nehmen. Yeh Ming hat uns seinen Segen gespendet und das Dorf mit einem Zauber belegt.«
    »Nett von ihm.« Siri kam zu dem Schluss, dass er sich in der Realität befand, nicht zuletzt weil sein leerer Magen blökte wie eine angepflockte Ziege. Sich von zweiundsiebzig Stunden Schlaf zu erholen, ist nicht leicht, und um sich aufzusetzen, brauchte er die tatkräftige Unterstützung der Ältesten. Sie waren aus Fleisch und Blut, hauptsächlich jedoch Haut und Knochen. Das errötende Mädchen fütterte ihn mit der Suppe. Er hätte auch selber essen können, ließ sich aber nur al zu gern verwöhnen.
    »Was ist mit dem Hauptmann?«, fragte er schlürfend.
    »Yeh Ming hat auch ihn gesegnet. Das scheint ihm großes Selbstvertrauen gegeben zu haben. Nun wil er auch seine Männer wappnen.Tante Suabs Amulette finden bei der Armee reißenden Absatz. Sie kommt mit der Herstel ung kaum nach.«
    Siri hörte auf zu essen. »Tante Suab? Sie ist am Leben?«
    »Sie erfreut sich bester Gesundheit. Sie hat keinerlei Erinnerung an den fraglichen Abend. Der Wirt spürt nichts. Nachdem du sie entlarvt hattest, wurde sie ohnmächtig, und der Phibob bemächtigte sich ihrer.«
    »Aber ich habe sie doch… habe ich sie denn nicht gewürgt?«
    »Nein. Du hast den Phibob gewürgt. Es waren weder deine Hände, noch war es Suabs Kehle.«
    »Gott sei Dank. O speise mich, du Holde.«
    Das Mädchen errötete und gab ihm einen Löffel Suppe.
    Nachdem er den Schlaf aus den Gliedern geschüttelt und das Essen ihm neue Kraft gegeben hatte, fühlte Siri sich so gut wie seit Jahren nicht mehr, wenn nicht gar besser denn je.

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