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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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te Lao Jongs knorrige Hand hervor und schloss sich um Siris Handgelenk. Ein stechender Schmerz fuhr ihm durch Arme und Beine. Es war, als würden seine Nerven überreizt. Dann wanderte die Energie durch seinen Körper und sammelte sich im Genick. Das Amulett, das bislang so kühl an seiner Haut gelegen hatte, begann zu brennen wie ein glühendes Holzscheit. Er riss den Mund auf, um zu schreien, doch kein Laut kam über seine Lippen. Er zog an dem Riemen, um sich das Medail on vom Hals zu reißen, aber das Leder hielt. Schlimmer noch, das Amulett brannte. Es brannte sich durch Haut und Muskeln, auf die nackten Knochen. Es roch nach verschmortem Fleisch. Er versuchte, sich den Riemen über den Kopf zu zerren, aber das Leder zog sich immer enger zusammen, wie eine Garrotte. Er bekam keine Luft, und er wusste, dass er sterben musste. Er würde eines qualvol en Todes sterben. Er erstickte, aber niemand kam ihm zu Hilfe. Niemand riss das brennende Amulett von seiner Brust. Es war ihm unbegreiflich. Kumsing saß neben ihm, als ob nichts wäre. Konnte er die Flammen denn nicht sehen? Das verbrannte Fleisch nicht riechen? Er wand sich vor Schmerzen, trat um sich, zerrte an dem Riemen. Da, in seinen Todesqualen, sah er sie. Sie saß unter dem Fenster und lächelte selig wie ein Engel.
    Kumsing sah nichts von al edem. Er sah nur Siri, der sich ruhig in der Hütte umsah, die Augen schloss und tief durchatmete. Dann schlug Siri die Augen wieder auf und richtete sie auf eine alte Frau, die unter dem Fenster saß, so weit wie möglich vom Altar entfernt.
    Jetzt wusste Siri, wer ihn umbringen wol te. Das Amulett sol te ihn daran hindern, den Phibob zu sehen. In seinem Traum hatte sie die Dschungelgeister gepflückt und ihm die Insektenplage auf den Hals gehetzt.
    Sie war diejenige, welche. Tante Suab beherbergte den bösen Geist. Der Phibob war in ihr. Er blickte sie aus schmalen Augenschlitzen an, und sie lächelte. Und das Lächeln war rot, nicht von Betelnuss, sondern vom Blut der Rache. Plötzlich konnte er sie sehen, die ruhelosen Seelen der gepeinigten Toten. Sie waren in ihr. Und mit letzter Kraft hob er die Hand und zeigte auf die alte Dame unterm Fenster. Und obwohl mit seinem Leben auch sein Gehör dahinschwand, hörte er sie sprechen. So etwas hatte er noch nie gehört. In der Stimme, die aus ihrem Mund drang, mischten sich zahl ose schroffe, zornige Stimmen, die Stimmen vieler Generationen von verlorenen Seelen. Sie gehörten den Geistern von Männern und Frauen, die Hass und Gewalt hatten erdulden müssen, umherirrenden Geistern, denen man die letzte Ruhestätte verwehrt hatte. Sie al e sprachen aus dem Mund der zierlichsten, reizendsten Frau im ganzen Dorf: »Zum Teufel mit dir,Yeh Ming.
    Dafür wirst du büßen. Verlass dich drauf. Dafür wirst du bitter büßen.«
    Ein Feuer brannte in seiner Brust und versengte ihm die Haut, die Garrotte schnürte ihm die Kehle zu, wild um sich schlagend krächzte er seinen Schwanengesang, und dann war es vorbei.
    Kumsing sah, wie Siri die alte Dame anstarrte. Der Doktor saß im Schneidersitz und hatte die Hände in den Schoß gelegt, gelassener denn je.
    Sie lächelte ihn an, ein klein wenig nervös. Dann hob der Doktor die Hand und zeigte auf sie.
    »Phibob«, sagte er ruhig. »Der Phibob ist in ihr.« Dann, als sei er mit einem Mal todmüde, brach er bewusstlos zusammen.
    Damit war die Zeremonie für Siri beendet. Als er aufwachte, wirkte die Sonne, die ihm durch das unverhängte Fenster ins Gesicht schien, wie ein warmer Balsam. Er fasste sich automatisch an den Hals, aber da war kein Verband, keine Quetschung, kein Garnichts. Das Amulett war fort.
    »Diese Art Wunden hinterlassen keine Narben, Yeh Ming.«
    Siri blickte zum Fußende der Strohmatratze, wo Tante Suab Suppe aus einem großen schwarzen Topf in eine Schüssel löffelte. Sie musste ihm seinen Schrecken angesehen haben. Sie lächelte. »Keine Sorge, sie sind weg. Du hast ein ziemliches Spektakel verpasst. Aber das geht mir nicht anders, dabei war ich ja offenbar der Star des Abends.«
    »Tut mir leid, dass ich dich verraten habe.«
    »Es musste sein.« Sie brachte ihm die Suppe und half ihm, sich aufzusetzen.
    Er fühlte sich schwach. Sie reichte ihm die Schüssel und einen Löffel.
    Argwöhnisch inspizierte er die Suppe.
    »Keine Angst, Yeh Ming, sie ist nicht vergiftet. Du musst dich stärken. Gestern Abend war dir schrecklich übel.«

    »Ach ja?«
    »Wenigstens hast du gewartet, bis sie dich hinausgebracht

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