Colin-Saga 02 - Das Armageddon-Vermächtnis
hatte, das Kommando über das Raumschiff in den Schoss gefallen war, aus dem sie verbannt worden war – für ein Verbrechen, das andere begangen hatten.
In Jiltanith schlummerte ein Raubtier. Das hatte Colin schon damals gesehen, vom ersten Augenblick an hatte er es gewusst. Die Meuterei hatte dazu geführt, dass Jiltanith ihre Mutter verloren hatte – und auch die Freiheit der Sterne; und die ständige Heimlichkeit, mit der ihr Volk diesen Schattenkampf auf der Erde führte, schmerzte sie wie Glassplitter in der Kehle, denn sie war eine Kämpferin, eine Kriegerin, die für die offen geführte Schlacht lebte. Diese langen, qualvollen Jahre hatten dazu geführt, dass sich in ihrer Seele dunkle, stille Orte gebildet hatten. Viel mehr, als er, Colin, der Kommandant der Dahak , das jemals zu sein auch nur hoffen konnte, war Jiltanith in der Lage, Tod und Zerstörung zu bringen, völlig außerstande, um Gnade zu bitten oder sie zu gewähren.
Doch jetzt war in ihren Augen keinerlei Hass zu sehen. Im Schein der Sonne dieses Atriums waren ihre Augen sanft und freundlich, deren dunkle Tiefe juwelenklar und still. Colin hatte sich an den Anblick reinblütiger Imperialer gewöhnt, doch in diesem Augenblick traf ihn die unauffällige Andersartigkeit ihrer Schönheit wie ein Fausthieb. Jiltanith war geboren, bevor der erste Terraner in eine Höhle gekrochen war, um sich vor dem Wetter zu schützen, und doch war sie jung. Sie war mehr als doppelt so alt wie er, und doch waren sie nur Kinder, wenn man die Lebenserwartung bedachte, die ihre Erweiterungen ihnen verhießen. Sie wirkte jugendlich, und die endlosen Jahre, die sie bereits gelebt hatte, ließen sie nur um so kostbarer erscheinen. Colin brannten die Augen.
Das hier, dachte er, diese Kind-Frau, die so viel mehr als ich gesehen, erlebt und erlitten hat, das ist es, worum es hier eigentlich geht. Sie war ein Symbol der Menschheit an sich, eine Verkörperung aller menschlichen Schwächen und der unbeugsame Kern aller menschlicher Stärke, und er hätte die Hand nach ihr ausstrecken und sie berühren mögen! Doch sie war die mythische Kriegerin, ein reines Sinnbild, und auf ihm lag die Last der Entscheidung. Er war unrein.
»Ach, teurer Colin«, flüsterte sie und blickte ihm tief in die müden, gequälten Augen, »was hast du nur auf dich geladen?«
Er verkrampfte die Finger, grub sie tief in das Moos und gab keine Antwort, doch ein ersticktes Schluchzen schnürte ihm unbarmherzig die Kehle zu.
Langsam rückte sie näher, vorsichtig, wie ein Jäger sich dem Tier nähert, das in der Schlinge gefangen ist, aber immer noch beißen kann, und sank neben ihm auf die Knie. Mit einer auffallend zarten Hand, so schlank und schmal, dass man leicht hätte vergessen können, wie viel Kraft darin steckte, berührte sie sanft seine Schulter.
»Einst«, sagte sie, »in einem Leben, dessen ich mich kaum noch zu erinnern vermag, beneidete ich dich. Wahrlich, ich beneidete und ich hasste dich, denn du hattest, ohne je danach zu fragen, jenen einen Schatz zum Geschenk erhalten, den von allen im ganzen Universum ich mir am meisten herbeisehnte! Ich hätte dich erschlagen, so mir das jenen Schatz verschafft hätte. Warst du dessen gewahr?«
Er zwang sich zu einem ruckartigen Nicken, und sie lächelte.
»Und obschon du dir dessen gewahr warst, wähltest du doch mich als deine Vertreterin hier, denn deine Augen sahen deutlicher als die meinen, 's mag Zufall gewesen sein, der dich auf die Brücke der Dahak verschlug; doch du hast wahrlich bewiesen, dass du jedes Recht der Welt hast, dort zu sein. Und niemals zuvor mehr als an diesem heutigen Tage hast du es bewiesen!«
Sanft streichelte sie ihm von der Schulter bis zur Brust, ließ die Hand auf seinem Herzen ruhen, spürte, wie gleichmäßig langsam es dank seiner Biomechaniken schlug, und er zitterte wie ein verängstigtes Kind. Doch ihre Finger bewegten sich, vertrieben mit ihrer Sanftheit dieses sonderbare Entsetzen.
»Und dennoch bestehst auch du nicht aus Panzerstahl, teurer Colin«, fuhr sie leise fort. »All deinen Biomechaniken zum Trotze bist du doch Fleisch und Blut, was auch immer die Pflicht von dir verlangen mag.«
Langsam beugte sie sich vor, stützte den Kopf in die Handfläche; ihr feines Haar streichelte ihm die Wange, und die seidige Zartheit war fast qualvoll für Colins erweiterten Sinne. Tränen standen ihm in den Augenwinkeln, und ein Teil in ihm verfluchte ihn für seine Schwäche, während ein anderer Jiltanith
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