Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
gewisse Reserve, aber alle anderen sind weg.«
»Dann sehen wir uns mal den einen an, der noch läuft«, entschied Sean. »Aber vorsichtig. Sehr vorsichtig.«
»Schon kapiert«, bestätigte Tamman und löste sich von der Gruppe, um erneut die Führung zu übernehmen, dieses Mal in Richtung der uralten, unter Vegetation und Schutt begrabenen Gebäude.
Sean begutachtete ihre Umgebung, während sie durch das Tal stapften. Hüfthoch umspielten sie im kalten Nachtwind Wellen hoch wachsender Gräser, dazwischen vereinzelte Flecken dichten Gestrüpps und ineinander verschlungenen Bäumen mit harten Schatten, die Schatten hier und da von Mondlicht durchschnitten. Es war ein rauer, unwirtlicher Ort, der nach dem Donner und den Blitzen des Gefechts noch geisterhafter wirkte als zuvor. Eben diese Unwirtlichkeit zusammen mit der Effizienz, die diese automatisierten Waffen auch noch in all ihrer Senilität an den Tag gelegt hatten, brachte Seans Augen zum Leuchten. Denn niemand hatte diesen Verteidigungsring je durchbrochen, um das zu stören, was Pardal vor dem Zeitalter der Biowaffe gewesen war.
Endlich erreichten sie die Ruinen. Über Jahrhunderte vom Wind hierher getragenes Erdreich hatte die unteren Stockwerke fast zur Gänze unter sich begraben, doch die verwitterten Wände waren noch intakt, und widerstandsfähiges, transparentes imperiales Plastik, vom Alter getrübt, füllte noch die meisten Fensterrahmen aus. Andere Fenster klafften in der Dunkelheit wie offene Wunden, und Sean spürte, dass ihm ein Schauer über den Rücken lief, als sie vor dem uralten Turm stehen blieben, in dem sich die einzige noch verbliebene Energiequelle befand. Denn diese vom Alter gezeichneten Wände ragten seit einer Zeit, die neun Lebensspannen der ägyptischen Sphinx umfasste, über diesem einsamen Tal auf.
Der Turm stand in der Mitte der längst verlassenen, längst versunkenen Siedlung. Verblasste Farbwirbel zierten immer noch die Betonkeramikwände, und die Wurzeln eines Baumes an der windabgewandten Seite – ein knorriges Gewächs mit einem massigen Stamm und einer haarigen Borke, die sich langsam abschälte – war durch ein Fenster eingedrungen. Dessen unerbittliches Vordringen hatte das Plastik aus dem Rahmen gehebelt und verbogen, und die Fensterscheibe aus imperialen Zeiten fiel mit lautem Klappern ins Innere des Gebäudes, als Tamman leicht gegen sie klopfte.
Sean musste schlucken. Dieser Baum wuchs auf einer fast ebenen Fläche Erdreichs, das fast zwanzig Meter hoch vor dem Turm aufgeschüttet lag, und er erwartete, die Jahrhunderte spüren zu können, als er den harten, massiven Rahmen berührte.
Tamman wühlte in seinem Tornister (der im Gegensatz zu Seans den Abstieg ins Tal überstanden hatte), suchte nach einer Handlampe, die deutlich leistungsstärker war als die kleinen Lämpchen, die sie an ihren Gürteln befestigt hatten. Gemeinsam spähten sie in das Innere des Gebäudes hinein, als Tamman dann einen diamanthellen Lichtspeer durch die Öffnung lenkte. Eine Staubschicht wurde von der geborstenen Scheibe heruntergeweht, doch der nackte, fleckige Boden dahinter wirkte massiv, und vorsichtig bahnte sich Tamman seinen Weg die Rampe aus Dreck und Unrat hinab. Drinnen angelangt, drehte er sich einmal um sich selbst, um den Lichtstrahl über die Mauern wandern zu lassen.
»Wirkt immer noch ziemlich stabil, Sean. Der Boden zeigt Schäden von eingedrungenem Wasser. Aber es sieht so aus, als wäre das durch das Fenster reingekommen. An den Wänden kann ich keine Spuren von Wasser entdecken, das durch sie hindurchgesickert wäre. Soll ich mal die Tür ausprobieren?«
»Klingt nach einem logischen nächsten Schritt.« Sean versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr seine linke Körperhälfte schmerzte, als er seinem Freund folgte, doch Sandy und Harriet standen sofort bereit und halfen ihm so taktvoll, dass er leise in sich hineinlachte. Sandy grinste zu ihm hinauf, und er schüttelte den Kopf und gab den Versuch auf, den unverletzlichen Helden zu spielen, und stützte sich dankbar auf ihre schmale, robuste Schulter.
Harriet durchquerte den Raum, um Tamman bei der Tür zu helfen, doch diese weigerte sich schlichtweg, sich öffnen zu lassen. Tamman wühlte ein weiteres Mal in seiner Tasche, diesmal auf der Suche nach seinem Schneidbrenner. Dessen gleißendes Licht meißelte Entschlossenheit in sein im Schatten liegendes Gesicht. Harriet keuchte auf, als ihr der Gestank brennenden Plastiks in die Nase stach, während
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