Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
wirkte erschöpft, und das verwunderte Tamman nicht im Mindesten. Fürstmarschall Rokas hatte sie alle schnell vorrücken lassen, nachdem sie erst einmal aufgebrochen waren. Die logistischen Kapazitäten der pardalianischen Armeen erstaunte Tamman. Er hatte mit der Geschwindigkeit einer Armee gerechnet, wie sie im Piken-und-Musketen-Zeitalter der Erde möglich gewesen wäre, aber auf Pardal gab es Nioharqs. Die riesigen Viecher mit den geschwungenen Stoßzähnen – sie erinnerten ihn an Wildschweine von Elefantengröße – waren Allesfresser, und so war die Versorgung der Reittiere viel weniger problematisch als bei Armeen, die auf Pferde angewiesen waren. Zudem erstaunte die Geschwindigkeit, die diese Tiere auch über lange Strecken halten konnten. Natürlich machte ihre Höchst geschwindigkeit sie für die Kavallerie unbrauchbar, aber sie gestatteten den Pardalianern, die Artillerie, die Verpflegung, die Zelte, die transportablen Lebensmittelvorräte und die Feldküchen mit einer Geschwindigkeit fortzubewegen, die Gustav II. Adolf grün vor Neid hätte werden lassen.
Trotz all dieser Vorteile mussten Rokas' Truppen langsam das Tempo in den Knochen spüren, das sie vorgelegt hatten. Sean hatte dafür gesorgt, dass Malagors Grenzen abgeriegelt waren, und der ›Tempel‹ wusste nicht das kleinste bisschen darüber, wie die ›Ketzer‹ ihre Truppen aufgestellt hatten – die Fernsonden der Israel mochten nicht in den ›Tempel‹ selbst vordringen können, doch sie hatten genug von Rokas Besprechungen im Feld belauschen können, um das zu belegen. Doch der Fürstmarschall hatte eine ziemlich genau Vorstellung davon, wie groß ihre Maximalstärke war, und er machte sich keinerlei Gedanken über irgendwelche subtilen Vorgehensweisen oder Manöver. Er wollte ihnen lediglich genügend Soldaten entgegenschleudern, um sie, den Feind, schier zu erdrücken, und dann mit Schwung ihre Reihen durchbrechen … aber so hatte nur der Fürstmarschall sich das gedacht.
Tammans Lächeln hatte etwas entschieden Boshaftes, als er zuschaute, wie die Kundschafter vorrückten. Sie mochten erschöpft sein, doch sie wirkten immer noch wachsam. Bedauerlicherweise (für sie) suchten sie nur nach Bedrohungen, die sich in der ihnen vertrauten Reichweite pardalianischer Waffen befanden.
»Macht euch fertig, Jungs!«, befahl Tamman leise, als das erste Branahlk die Vierhundert-Meter-Marke passierte. Ein leiser Chor antwortete ihm, und seine einhundert Dragoner begaben sich in ihre paarweise zugeordneten Stellungen. Tamman schaute zu, wie sie über umgestürzte Bäume und am Boden liegende dicke Äste hinwegspähten, während Rokas' Kundschafter sich auf fast zweihundert Meter näherten. Damit waren sie immer noch weit außerhalb der Reichweite sämtlicher glattläufiger Flinten. Dennoch blickten einige von ihnen schon viel zu häufig und zu misstrauisch in die Gegend, als dies Tamman recht war.
»Feuer!«, bellte er, und fünfzig Joharns mit gezogenen Läufen krachten wie ein einziges.
Im Schatten der Baumgruppe waren die Mündungsblitze blendend grell, und der Pulverdampf stach Tamman in die Nase, doch seine Aufmerksamkeit galt ganz den Kundschaftern. Dreißig oder mehr stürzten: deutlich mehr, da war er sich sicher, von ihren Reittieren abgeworfen als getroffen – Branahlks boten ein viel größeres Ziel als Menschen. Die anderen starrten mit offenen Mündern die Rauchwolke an, die jetzt zwischen den Bäumen aufstieg. Tamman grinste, als er sah, wie betäubt sie wirkten, und lautlos zählte er die Sekunden, während die ersten Schützen schon nachluden. Der zweite Mann jedes einzelnen Teams wartete ab, bis sein Partner mit dem Laden schon halb fertig war, dann feuerte er, und weitere Reiter gingen zu Boden. Die Überlebenden wirbelten ihre Reittiere herum und machten sich, so schnell sie konnten, auf den Weg zur Biegung der Straße – die Abgeworfenen liefen ihnen zu Fuß hinterher. Doch immer wieder bellten vereinzelte Schüsse auf, und die meisten wurden getroffen, bevor sie außer Reichweite gelangten.
»Also gut, Jungs, aufsitzen!«, lautete Tammans nächster Befehl, und die grinsenden Dragoner machten sich auf den Weg zu ihren Reittieren. Ihr Kommandant wartete noch einen Augenblick ab, und das Grinsen schwand ihm aus dem Gesicht, als er die Straße hinabblickte. Eine Hand voll Verwundeter kroch sie entlang, mit seinen erweiterten Augen konnte er jedem Einzelnen den Schmerz im Gesicht ablesen, andere wanden sich am Boden, und
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