Collection Baccara 0278
höchst erstaunten Gesichtsausdruck ihr Jugendfreund Colin Morris.
„Hi, Colin“, antwortete sie.
Er lächelte. „Schön, dich zu sehen. Ich habe schon gehört, dass du wieder in der Stadt bist.“ Dann runzelte er die Stirn und fragte: „Was machst du hier?“
„Hier in der Stadt?“
„Nein, bei uns in der Anwaltskanzlei.“
„Ach, ich wollte zu Bruce, aber er ist nicht da.“
„Christina, seine Frau, ist schwanger, und sie wollten noch einmal ihre Familie besuchen, bevor das Kind kommt“, erzählte er ihr. „Wie lange bleibst du hier in Morrisville?“
„Ich weiß es noch nicht.“
„Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht gesehen. Du bist nicht einmal zur Hochzeit von Bruce und Christina gekommen.“
„Ich musste an dem Wochenende leider arbeiten.“
„Verstehe.“ Er verzog missbilligend die Mundwinkel. Es schien ihm wohl eine schwache Ausrede, um der Hochzeit eines guten Freundes fernzubleiben.
Rachel stieß ein entnervtes Schnaufen aus. Sie hatte keine Lust auf Diskussionen. Es war lange her, dass sie mit Bruce befreundet gewesen war, und anders als Colin trauerte sie den vergangenen Zeiten nicht nach. „Es war schön, dich zu treffen, Colin. Aber ich muss wieder ins Restaurant, ich habe meiner Großmutter versprochen, ihr beim Putzen zu helfen.“
„Arbeitest du jetzt bei ihr?“
Etwas unwillig antwortete sie: „Nur vorübergehend. Ich habe hier einiges zu regeln. Das war auch der Grund, warum ich mit Bruce sprechen wollte. Ich werde heuteAbend bei deinemVater vorbeischauen und ihn um Rat fragen. Sag deinen Eltern, ich bringe einen Kuchen mit.“
„Oh, da werden sie sich freuen. Sie mögen dich sehr, und deine Kuchen sind unwiderstehlich“, sagte Colin lachend, und dabei wurden seine scharfen männlichen Gesichtszüge ganz weich. Rachel musste feststellen, dass sie ihn nach all den Jahren immer noch sehr anziehend fand. Wenn er lächelte, bekam jede Frau Herzklopfen, und auch Rachel war nicht dagegen gefeit.
„Worüber möchtest du denn mit meinem Vater sprechen? Vielleicht kann ich dir ja helfen?“
„Ich brauche juristischen Rat“, antwortete sie kurz angebunden.
Er blieb stehen und sah sie an.„Ehrlich gesagt hat meinVater im Moment sehr viel um die Ohren. Er steckt mitten in einem schwierigen Prozess, und ich glaube nicht, dass er sehr viel Zeit haben wird. Wenn du Hilfe brauchst, dann frag doch mich. Ich stehe dir gerne mit Rat und Tat zur Seite. Schließlich sind wir doch immer noch Freunde, oder?“
Sie zögerte. Es stimmte, sie waren Freunde gewesen. Zumindest, bis sie ihr Herz an ihn verloren hatte. Denn für ihn war sie nie mehr gewesen als das nette Mädchen von nebenan.
Es hatte einen Abend gegeben, an dem sie geglaubt hatte, auch er würde mehr für sie empfinden. Sie hatten sich mit einer Flasche Champagner davongeschlichen und versteckt. Als sie beide schon ziemlich beschwipst waren, hatten sie sich geküsst. Am nächsten Tag war alles wie vorher, und Colin tat so, als sei nichts gewesen. Später gingen Colin und Bruce auf die Universität und interessierten sich nicht mehr für das unscheinbare Nachbarmädchen. Und auch Rachel hatte ihre Zelte in Morrisville abgebrochen und war nach NewYork gezogen.
„Und? Wie sieht es aus? Ich habe gerade Zeit, wir könnten dein Problem besprechen“, bot er ihr an.
Rachel musterte ihn eingehend. Er hatte immer noch diese schönen blauen Augen, immer noch dieses charmante Lächeln. Doch es war viel Zeit vergangen, und sie hatte dazugelernt. Colin bedeutete ihr nichts mehr. Alles, was sie wollte, war, Marco an der Durchsetzung seiner Forderungen zu hindern. Es konnte allerdings nicht schaden, Colins Meinung dazu zu hören.
Colins Büro befand sich im dritten Stock. Gemeinsam gingen sie zum Aufzug. Colin hatte schon bei einem Geschäftstreffen amVortag gehört, dass Rachel wieder in der Stadt war. In Morrisville verbreiteten sich Neuigkeiten wie Lauffeuer. Es wurde außerdem gemunkelt, dass sie mit einem erfolgreichen Restaurantbesitzer verlobt gewesen sein sollte, dem sie vor Kurzem den Laufpass gegeben hatte.
„Tritt ein“, bat er sie und hielt ihr die Tür auf. Von seinem Büro aus konnte man die ganze Hauptgeschäftsstraße überblicken. Man sah sogar Kim’s Diner.
„Darf ich dir deine Jacke abnehmen?“, fragte er.
„Nein danke“, antwortete sie und setzte sich in den Sessel, der vor seinem Schreibtisch stand.
Sie ist also immer noch so störrisch wie früher, dachte er bei sich. Sie hatte sich gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher