Collection Baccara 0278
wieder beruhigt und putzte sich schniefend die Nase. Ihr Gefühlsausbruch war ihr mit einem Mal sehr peinlich. Warum musste sie ausgerechnet vor Colin Morris Schwäche zeigen? Als sie mit ihren Freundinnen darüber gesprochen hatte, war sie immer kühl und gefasst gewesen.
„Tut mir leid!“, schniefte sie. „Wir sehen uns seit Jahren zum ersten Mal wieder, und was mache ich? Ich heule wie ein Schlosshund. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, mit Bruce zu sprechen.“
Abrupt richtete sich Colin auf. „Nun, er ist bekanntlich verreist. Dafür bin ich ja da“, sagte er in barschem Ton. „Willst du nun, dass ich den Fall übernehme, oder nicht?“
Irritiert runzelte sie die Stirn. Weshalb war er auf einmal so ruppig? Aus ihren rot verweinten Augen blickte sie ihn an. „Jetzt, wo du schon alles weißt, kannst genauso gut du dich darum kümmern. Weißt du denn, wie viel es mich kosten wird? Ehrlich gesagt steht es um meine Finanzen nicht sehr rosig.“
„Mach dir keine Sorgen um das Geld. Ich werde mit meinem Vater reden, er verlangt bestimmt nicht viel, du gehörst ja fast zur Familie“, versicherte er. „Zuerst einmal werde ich ein Schreiben an Marcos Anwalt aufsetzen. Hast du Rechnungen über deine Ausgaben für die Hochzeitsvorbereitungen?“
Sie nickte.
„Die brauche ich.“
Rachel richtete sich auf und blickte ihn überrascht an. So sachlich hatte sie ihren ehemaligen Jugendfreund noch nie erlebt. Es war bemerkenswert, wie überlegt und selbstsicher er an den Fall heranging. Offensichtlich hatte er bereits einen Plan, wie er vorgehen wollte.
„Und wofür brauchst du die?“
„Eine Verlobung ist ein mündlicher Vertrag. Er verpflichtet sich damit, dich zu heiraten und dir treu zu sein. Und da er den Vertrag gebrochen hat, hast du das Recht, deine Ausgaben einzufordern.“
„Im Ernst?“, fragte sie ungläubig. „Es gibt ein Gesetz, das Untreue ahndet?“
Colin lächelte. „Na ja, oft ist es nur eine Frage der Auslegung. Unsere Strategie wird jedenfalls folgendermaßen aussehen: Er verlangt deine Rezepte, und du verlangst dein Geld. Da er mit Sicherheit einen öffentlichen Skandal vermeiden will, wird er mit seinen Forderungen nicht vor Gericht ziehen.“
Das klang einleuchtend, musste Rachel zugeben. „Dann geht es also in Wirklichkeit gar nicht darum, dass ich mein Geld wiederbekomme?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Es geht nur um deine Rezepte. Wir müssen mit allen Mitteln einen Prozess vermeiden, denn dann wird es teuer.“
Sein Telefon klingelte, und er hob ab. Nachdem er eine Weile zugehört hatte, meinte er schließlich: „Sagen sie ihr, sie soll auf mich warten. Ich bin hier gleich fertig.“ Dann legte er auf.
„Deine Freundin?“, fragte Rachel neugierig.
„Eine Klientin.“ Und mit einem verschmitzten Grinsen fügte er hinzu: „Wieso? Bist du eifersüchtig?“
Sie zuckte lässig mit den Schultern und sagte in möglichst gleichgültigem Tonfall: „Unsinn, ich wäre nur froh, wenn sich das Getratsche der Leute endlich auf etwas anderes richten würde als auf mich.“
„Ah, verstehe“, antwortete er nickend, doch man sah ihm an, dass er ihr nicht glaubte. „Ich komme morgen ins Kim’s und sage dir, wie hoch die Anwaltskosten sein werden. Donnerstags bin ich sowieso meistens zum Mittagessen dort, schließlich ist da Steak-Tag.“
„Schon seit zwanzig Jahren“, sagte Rachel lachend.
„Ja, und man muss sehen, dass man einen Platz bekommt. Im Kim’s gibt es die besten Steaks der ganzen Stadt.“
Rachel stand auf und sagte: „Also, dann sehen wir uns morgen. Danke, dass du dich um die Sache kümmerst.“
Sie stand bereits an der Tür, als Colin noch einmal nach ihr rief. Sie drehte sich um. „Was ist?“
„Ich freue mich, dass du wieder zurück bist. Und mach dir keine Sorgen um deine Rezepte. Das kriegen wir schon hin.“
Plötzlich bekam sie Herzklopfen, und ihr wurde heiß. Nervös schob sie den Henkel ihrer Handtasche weiter über die Schulter. Er sah unheimlich gut aus, wie er so hinter seinem Schreibtisch stand. Doch sie würde nicht zulassen, dass ihre alten Gefühle zu ihm wieder wach wurden. Denn spätestens in sechs Monaten war sie wieder in New York. Und überhaupt war das alles längst vorbei.
3. KAPITEL
„Hallo, mein Junge. Schön, dass du da bist.“ Loretta, Colins Mutter, begrüßte ihren Sohn mit einem Küsschen auf die Wange. „Dein Vater ist in der Bibliothek. In einer halben Stunde gibt es Abendessen. Kristin kommt mit den
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