Collection Baccara 0283
ich nach Rom gezogen sind, haben wir in Neapel gewohnt. Wir hatten ein Segelboot im Hafen liegen. Eines Nachmittags ist sie damit aufs Meer gefahren und in einen Sturm geraten.“
Marco blickte aus dem Fenster – die Sonne strahlte vom blauen Himmel. Warum hatte es an jenem Tag nicht so sein können? Warum nicht, verdammt noch mal! Sein Magen krampfte sich zusammen. „Die Suchmannschaft hat Teile des Wracks gefunden, aber ihr Körper wurde nie geborgen.“
„Oh nein!“ Sabrina sagte das so sanft und mitfühlend, dass sich Marco entspannte. Er war mit Beileidsbekundungen überhäuft worden, mit Plattitüden und auch von Herzen gemeinten Ansprachen. Aber dieses sanfte „Oh nein“ tröstete ihn seltsamerweise mehr als alles andere.
Es gab ihm das Gefühl, dass sie verstand, wie es in ihm aussah.
„Gianetta war eine begeisterte Seglerin. Sie stammte aus einer Familie, die seit vielen Generationen vom Fischfang und der Seefahrt lebte. Ich habe oft scherzhaft behauptet, sie hätte mehr Salz als Wasser in ihrem Blut. Sie war … fast süchtig danach, den Wind auf ihrem Gesicht zu fühlen, das Flattern der Segel zu hören.“
Doch sie hatte auch andere Nervenkitzel gesucht. Wie Skifahren auf den schwierigsten Pisten der Alpen. Mit dem Sportwagen über die Küstenstraße zu rasen. Und leider auch verbotene Rauschmittel.
Dass sie Drogen nahm, hatte sie allerdings rundum geleugnet. Auch noch, nachdem Marco ihren Vorrat in einem Versteck entdeckt hatte.
Weil er darauf bestand, machte sie eine Entziehungskur. Sogar zwei. Und immer wieder schwor sie, dass sie clean sei und dieses Teufelszeug nicht mehr anrühren würde.
Marco glaubte es jedoch nicht so recht.
Und im Grunde seines Herzens hatte er geahnt, dass Gianetta damals allein von Rom nach Neapel gefahren war, um seiner Aufsicht zu entkommen. Um ihrem Mann zu entfliehen.
„In der Woche hatte ich eine schwierige Operation geleitet. Es ging um ein zweijähriges Kind mit einem Gehirntumor, den andere Chirurgen als inoperabel eingestuft hatten.“
Er war nach dieser stundenlangen Operation völlig erschöpft gewesen, sowohl körperlich als auch mental, und hatte nur noch schlafen wollen. Aber Gianetta weigerte sich, die geplante Reise zur Küste um ein paar Tage zu verschieben. Sie meinte, sie wäre schon viel zu lange in der Stadt eingesperrt gewesen. Sie bräuchte das Meer, den Wind und die salzige Luft.
„Ich bin in Rom geblieben, bis der Junge außer Lebensgefahr und auf dem Weg der Besserung war. Dann bin ich nach Neapel gefahren, um das Wochenende mit Gianetta zu verbringen.“
Bis heute gab Marco sich die Schuld an ihrem Tod. Hätte er die Operation verschoben … Hätte er sich ebenso intensiv um seine Frau gekümmert wie um seine kleinen Patienten …
„Als ich die Küste erreichte, sah ich schon, wie sich am Himmel dunkle Wolken auftürmten und der Wind blies. Darum habe ich Gianetta auf dem Handy angerufen und sie gebeten, nicht mit dem Boot rauszufahren.“
Gebeten, gebettelt, ihr gut zugeredet, ihr befohlen, sie angefleht … und er wäre fast verrückt geworden, als er im Hafen ankam und ihr Boot nicht am Steg lag.
„Sie hat nicht auf mich gehört. Vom Hafen aus habe ich über Funk Kontakt zu ihr aufgenommen. Da kämpfte sie schon mit sechs Meter hohen Wellen, und es lief Wasser ins Boot.“
Marco hörte noch immer Gianettas panische Schreie. Und erinnerte sich deutlich an seine Verzweiflung, an die entsetzliche Hilflosigkeit, die er gespürt hatte. Er konnte das Leben eines zweijährigen Kindes retten, aber nicht das seiner Frau.
„Das letzte Mal, dass ich ihre Stimme hörte, war … als Gianetta ein Notsignal absetzte. Mittendrin ist der Funkkontakt abgebrochen.“
„Wie traurig“, flüsterte Sabrina. „Dann hast du dich nie von ihr verabschieden können.“
Er blickte sie überrascht an. Konnte sie seine Gedanken lesen? Sie sprach genau das aus, was ihn so quälte. Obwohl die Ehe nicht immer einfach gewesen war, obwohl es bei ihnen oft Streit gegeben hatte und hitzige Auseinandersetzungen, hatte Marco nie aufgehört, seine temperamentvolle Gianetta zu lieben. Und er würde seine Seele dafür verkaufen, wenn er ihr das noch einmal sagen dürfte.
„Du erinnerst mich an sie“, meinte er nach einem langen Moment. „Du hast die gleiche Haarfarbe, die gleichen Augen. Gestern Morgen, auf der Straße … ein oder zwei Sekunden lang glaubte ich, ich würde einen Geist vor mir sehen.“
„Darum hättest du mich also fast
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