COLLECTION BACCARA Band 0259
das Interview mit der amerikanischen Zeitschrift.
„Du kannst gern mit ihnen reden“, ermunterte er Daphne. „Ich werde es nicht verbieten.“
„Mein Blumenherz erzittert bei so viel Großzügigkeit“, gab sie neckend zurück.
Er zog eine gespielt düstere Miene. „Wie ich sehe, war ich zu nachsichtig mit dir.“
„Mach dir keine Sorgen, Murat. Wenn ich ihnen ein Interview hätte geben wollen, dann hätte ich es getan. Aber ich war nicht interessiert.“
„Warum nicht?“
Sie aß etwas von ihrem Salat. „Wirklich lecker, das Essen.“
„Daphne, warum hast du das Interview abgelehnt?“
„Das ist doch gar nicht wichtig.“
Mit anderen Worten, es war sogar sehr wichtig. „Ich gebe erst Ruhe, wenn du es mir erzählt hast.“
Sie legte die Gabel beiseite. „Um ehrlich zu sein, ich wusste nicht, was ich ihnen sagen soll. Sie planen eine Hochzeitsserie. Und dafür sammeln sie romantische Geschichten von berühmten Paaren. Sie wollten wissen, wie wir uns kennengelernt und ineinander verliebt haben. Ich hielt es für keine gute Idee, ihnen die Wahrheit zu sagen. Dass du mich in die Haremsgemächer gesperrt und gegen meinen Willen geheiratet hast, als ich bewusstlos war. Weil ich nicht irgendeine Geschichte erfinden wollte, habe ich das Interview abgelehnt.“
Als sie weiterredete, hörte er ihr nicht mehr zu. Sie hatte mit deutlichen Worten die Wahrheit ausgesprochen, die er nur allzu gut kannte. Doch zum ersten Mal begriff er, was sie ihm schon die ganze Zeit mitzuteilen versuchte. Dass er sie eingesperrt hatte wie eine Kriminelle. Sicher, die Haremsgemächer waren luxuriös, dennoch hatte er sie der Freiheit beraubt. Und damit nicht genug. In dem Wissen, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte, hatte er ihre Bewusstlosigkeit ausgenutzt und sie in eine Ehe gezwungen.
Die Wahrheit traf ihn wie ein Schlag. Wie oft hatte Daphne sich über sein Verhalten beklagt. Doch er hatte es als das bedeutungslose Geplapper einer Frau abgetan, die zu viel Zeit zum Grübeln hatte. Er hatte nicht einmal in Erwägung gezogen, dass ihre Argumente berechtigt sein könnten. Wäre sie eine Fremde gewesen und als Bittstellerin zu ihm gekommen, hätte er sie aus ihrem Ehejoch befreit und den betreffenden Mann ins Gefängnis gesperrt.
Das Telefon klingelte. Daphne entschuldigte sich und stand auf, um das Gespräch anzunehmen. Diese Ablenkung nutzte Murat, um sich rasch zu verabschieden. Auf dem Weg zur Tür fiel ihm eine neue Tonskulptur auf einem Tisch ins Auge.
Ein Liebespaar. Zwei ineinander verschlungene Körper. Die Leidenschaft, die diese Arbeit ausstrahlte, nahm ihm den Atem. Und machte ihm Mut. Aber beim näheren Hinsehen erkannte er, dass die beiden Liebenden keine Gesichter hatten. Diese Erkenntnis stimmte ihn unendlich traurig.
Daphne saß allein im Wohnzimmer und starrte aus dem Fenster. Die Luft war klar genug, um bis zur Insel Lucia-Serrat sehen zu können. Neben Daphne auf dem Sofa dösten zwei Katzen und schmiegten sich an sie. Doch die Wärme reichte nicht aus, um ihren Kummer zu lindern.
Sie war nicht schwanger. Der Beweis hatte sich vor einer Stunde eingestellt.
Seltsam, noch vor einem Monat wäre sie glücklich gewesen, Murat endlich verlassen zu können. Sie hätte ihm die Nachricht längst überbracht und würde bereits ihre Koffer packen. Doch inzwischen hatte sich alles geändert.
Daphne war nicht erleichtert, sondern zutiefst enttäuscht, denn im Grunde ihres Herzens wollte sie bei Murat bleiben. Diese Wahrheit hatte sie lange vor sich selber geleugnet.
Murat war nicht perfekt. Er würde vielleicht nie einsehen, dass er sich falsch verhalten hatte. Doch das hielt sie nicht davon ab, ihn zu lieben. Sie wollte bei ihm sein, trotz seiner Fehler. Sie wollte, dass ihre Kinder seine Stärke und Hartnäckigkeit erbten. Sie wollte ein Teil seiner Welt und seiner Geschichte sein. Daphne liebte Bahania fast so sehr wie den Kronprinzen des Landes. Sie wollte nicht weg.
Seit seiner Rückkehr aus der Wüste hatten sie nicht mehr über die Zukunft gesprochen. Zweifellos deutete Murat ihr Schweigen als Zustimmung, aber Schweigen genügte ihr nicht. Sie wollte ihm sagen, dass sie sich für ihn entschieden hatte. Sie wollte ihn umarmen und küssen und mit ihm schlafen, damit sie nicht mehr lange auf ihr erstes Kind warten mussten.
Kurz entschlossen verließ Daphne die Suite, um Murat zu suchen. Sie entdeckte ihn im Garten, wo er auf einer Steinbank saß. Mit gesenktem Kopf starrte er zu Boden. So
Weitere Kostenlose Bücher