COLLECTION BACCARA Band 0269
…
Er hat mich angelogen, rief sie sich in Erinnerung, er hat mir ins Gesicht gesehen und mich angelogen. Wieder einmal. Nach so vielen Jahren sollte es ihr nichts ausmachen. Aber er hatte auch Jessie angelogen, und darum ging es.
„Janey?“
„Dieser Artikel wäre nicht erschienen, wenn das Bauvorhaben nicht schon weitestgehend beschlossen wäre“, sagte sie und ignorierte absichtlich Saras anschließende Frage.
„Und warum drücken sie sich so aus, als wäre der Bau noch unsicher?“
„Weil sie die öffentliche Meinung abschätzen wollten, bevor sie mehr Geld in das Projekt stecken. Lieber jetzt einen Protest, als später, wenn das Bauvorhaben abgeschlossen ist, einen Boykott. Wenn wir uns jetzt genügend dagegen auflehnen, dann machen sie einen Rückzieher, um den Verlust niedrig zu halten und ihr Image zu schützen.“
„Wir? Du weißt, dass ich hinter dir stehe, aber ich bin nicht sicher, dass dieses Projekt wirklich schlecht ist.“
„Das ist nicht dein Ernst!“
„Okay, Janey, ich weiß, dass du deine Pflicht als Bürgermeisterin sehr ernst nimmst, aber ich habe dich noch nie so aufgebracht gesehen.“ Sie senkte die Stimme. „Es liegt an Noah, nicht wahr?“
„Vielleicht reagiere ich etwas zu heftig. Aber die hiesigen Geschäfte können mit einem Megamart einfach nicht konkurrieren. Du hast doch selbst gesagt, dass dort alles so billig ist.“
„Ich kann mir vorstellen, dass kleine Läden wie Five-And-Dime oder Halliwell’s General Store weniger Umsatz machen werden.“
„Nicht nur diese beiden Läden. Laut Zeitungsbericht soll der Megamart genau auf den Bedarf der Farmer und Rancher in dieser Gegend ausgerichtet werden. Das bedeutet doch das Aus für unsere kleineren landwirtschaftlichen Märkte. Irgendwann werden dann auch das Hotel und das Restaurant geschlossen, und Erskine wird zu einer Geisterstadt.“
„Es gibt immer Veränderungen, Janey, und die Menschen passen sich an. Die Bewohner von Erskine sind zäher, als du glaubst. Ich denke, du überschätzt den Einfluss, den dieser Markt auf unsere Gemeinde haben wird.“
Und du unter schätzt den Einfluss, wollte Janey sagen.
„Vielleicht bringt der Megamart dir ja sogar Glück.“ Sara lächelte. „Möglicherweise kommt dadurch der eine oder andere interessante Mann in die Stadt.“
„Wie kannst du dabei nur an Männer denken?“ Der Megamart hat schon einen zu viel gebracht, schoss es Janey durch den Kopf.
„Es ist nicht schlecht, wenn man die Wahl hat“, neckte Sara.
Die Wahl haben, ha! Janey fühlte sich wie ein Fähnchen im Wind, das bei der leichtesten Brise in irgendeine Richtung gedreht wurde. Die meisten Menschen lebten so und nahmen, was das Schicksal ihnen brachte. Das war nicht weiter schlimm, solange es bei der Brise blieb und kein Sturm aufkam.
Aber für sie braute sich gerade ein Sturm zusammen. Also musste sie eine Entscheidung treffen, solange es noch möglich war.
Entweder schützte sie sich selbst, ihre Tochter und die Gemeinde, oder sie wartete ab und saß den Sturm einfach aus. In der Hoffnung, dass sie überlebte – ohne gebrochenes Herz.
Eine schwierige Entscheidung.
„Was wirst du also tun?“, fragte Sara.
„Normalerweise würde ich nach Plains City fahren und mit dem Bürgermeister sprechen, aber so wie ich Noah kenne, hat er den Mann längst überzeugt.“
„Der Bürgermeister von Plains City ist unserer Bürgermeisterin nicht gewachsen“, sagte Sara. „Ich würde mein ganzes Geld auf dich setzen, so wie jeder andere auch in dieser Stadt, Janey. Wir wissen genau, warum wir dich gewählt haben.“
„Ihr habt mich gewählt, weil kein anderer zur Wahl stand.“
„Du bist gewählt worden, weil du die Beste bist, Janey. Dein Dad …
„Kann Jessie am nächsten Freitag zu euch kommen?“, unterbrach Janey ihre Freundin. Ihr war gerade eine Idee gekommen.
„Sicher. Aber was ist mit Noah?“
„Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass er an dem Abend etwas vorhaben wird.“ Janey stand auf. Sie musste noch einige Vorbereitungen treffen.
Sara hielt sie am Arm fest. „Was ist los?“, fragte sie.
„Ich glaube, ich habe eine Idee“, sagte Janey und ging.
6. KAPITEL
Noah hielt auf halbem Weg zwischen Plains City und Erskine an. Er schaltete den Motor ab und machte das Scheinwerferlicht aus. Die Dunkelheit, die ihn umgab, passte zu seiner Stimmung. Er stieg aus und lief auf der Schotterstraße wütend auf und ab.
Was glaube Janey eigentlich, wer sie war, dass sie in solch einem
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