Collection Baccara Band 0316
„Ich gehe und hole den Schlüssel.“
Sie drehte auf dem Absatz um und eilte in die Bäckerei.
8. KAPITEL
„Ich schwöre dir, wenn das mit dem elenden Krach so weitergeht, springe ich noch in den Ofen“, brummte Tante Helen missgelaunt und schlug mit einem Knall die Tür eines der Industrieöfen zu.
Vanessa blickte von einem Blech Rosinenschnecken auf, die sie gerade mit Zuckerguss bestrich, und lächelte ihre Tante schuldbewusst an. Der Lärm, der aus dem Nachbargebäude zu ihnen drang, war wirklich nervtötend.
Es war nicht einfach, mit dem Geräuschpegel und den vielen Handwerkern zurechtzukommen. Sie waren ständig dabei, sich bei ihren Kunden zu entschuldigen. Es war derzeit nur selten möglich, im Gästebereich der Bäckerei in Ruhe Kaffee zu trinken. Außerdem waren Helen und Vanessa ständig dabei, irgendwo zu putzen, denn die Arbeiten verursachten viel Schmutz und Staub.
„Sie sind bald fertig“, wiederholte Vanessa die Worte, mit denen der Vorarbeiter sie bereits letzte Woche beruhigt hatte.
Aber insgeheim blieb sie skeptisch. Sie hatte zu viel Erfahrung mit solchen Dingen, um nicht zu wissen, dass „bald“ ein sehr dehnbarer Begriff war. Immerhin schienen die Leute, die Marc engagiert hatte, ihr Handwerk zu verstehen. Sie machten ihre Sache ordentlich und waren bisher gut vorangekommen.
„Du musst zugeben, dass Marc sehr viel für uns tut. Das ist doch nett von ihm, oder?“, versuchte sie Helen zu besänftigen.
Diese schnaubte abfällig. „Mach dir doch nichts vor, Liebes. Er tut das nicht, weil er nett ist, sondern weil er dich kontrollieren will. Das weißt du ganz genau.“
Vanessa sagte nichts dazu. Vor allem deshalb, weil ihre Tante recht hatte. Doch diesen Gedanken hatte sie in den letzten Tagen meist erfolgreich verdrängt.
Marc verbrachte fast jeden Abend mit ihnen zusammen in Helens Haus. Für gewöhnlich aßen sie zusammen. Er half dabei, Danny zu füttern, badete ihn und brachte ihn zu Bett. Auf sein Drängen hin hatte sie ihm gezeigt, wie man Windeln wechselte. Erstaunlicherweise stellte Marc sich dabei recht geschickt an. Inzwischen übernahm er diese Aufgabe fast so oft wie sie. Er spielte mit Danny auf einer Wolldecke, die auf dem Boden ausgebreitet war, sie gingen gemeinsam im Park spazieren.
Es war seltsam, aber für Vanessa fühlte sich das eigentlich ganz normal an. Und sie musste zugeben, dass es auch sehr schön war, ein Familienleben zu führen. Zumindest für eine Weile.
Dennoch durfte sie nicht vergessen, dass an alles, was Marc für sie tat, Bedingungen geknüpft waren. Insofern war es richtig von Helen, sie daran zu erinnern. Natürlich wollte er Zeit mit seinem Kind verbringen. Das war verständlich. Aber er hatte auch andere Motive im Hinterkopf. Dessen war Vanessa sich sicher.
Im Moment war Marc außer mit Danny auch noch mit dem Umbau der Bäckerei beschäftigt. Was würde passieren, wenn die Arbeiten beendet waren? Wenn er anfing, sich zu langweilen, und befand, dass er Danny nun vertraut genug wäre, um ihn mit nach Pittsburgh zu nehmen?
Vanessa seufzte. Sie kannte die Antworten auf diese Fragen doch längst.
In den vergangenen zwei Wochen hatte Marc sie sehr an den jungen Mann erinnert, der er einmal gewesen war. In den sie sich verliebt hatte. Und den sie Hals über Kopf geheiratet hatte. Er war freundlich, großzügig, charmant und witzig. Er hielt ihr die Tür auf, half dabei, nach dem Essen den Tisch abzuräumen, und kümmerte sich rührend um seinen Sohn.
Und er berührte sie hin und wieder. Nicht im erotischen Sinn. Nur ein leichtes Streicheln mit den Fingern. Über ihren Arm, ihren Handrücken oder ihre Wange. Es waren zärtliche, vertraute Gesten.
Vanessa versuchte, nicht zu viel in seine Aufmerksamkeiten hineinzuinterpretieren. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass ihr Herz jedes Mal aufgeregt pochte.
Während ihre Gedanken noch intensiv um Marc kreisten, drückte der energisch die Schwingtüren auf und stürmte in die Backstube. Erschrocken zuckte Vanessa zusammen. Beinah wäre ihr der Backpinsel aus der Hand gefallen.
„Wenn du kurz Zeit hast“, sagte Marc, „solltest du mal rübergehen und dir deine neue Vertriebsabteilung ansehen. Die Handwerker sind fast fertig. Sie wollen wissen, ob alles deinen Wünschen entspricht, bevor sie verschwinden.“
„Oh“, machte Vanessa erstaunt.
Natürlich war sie schon ein paarmal in den neuen Räumlichkeiten gewesen. Nicht zu oft, denn sie wollte den Handwerkern nicht im Weg stehen.
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