Collection Baccara Band 330
vielleicht nicht eine ihrer besten Ideen gewesen, ihren Dad allein zu lassen, ganz sicher aber war es ihre spontanste. Wie auch immer, sie musste diese Frage, die sie schon so lange quälte, endlich klären.
„Was machst du in diesem eleganten Hotel?“
Ein Page vom ‚Waldorf‘ öffnete ihr die Tür, dabei hatte er ein Lächeln im Gesicht, das die Männer in New York hübschen Frauen schenkten. Jessie strahlte und dankte ihm.
„Ich habe ein Meeting mit dem leitenden Redakteur des Magazins, stell dir vor.“
„Ach? Meinst du, sie wollen dich jetzt endlich bezahlen?“
„Das Praktikum dauert ein Jahr, und glaube mir, Dad, meine Kommilitonen an der Kunstakademie beneiden mich um diese Chance. Mach dir keine Gedanken, ich passe auf mein Geld auf.“ Sie sah sich nach dem Eingang zur Bar um.
„Ich weiß, Sweetheart.“ Seine Stimme wurde weich. „Deine Mutter hat es dir zur freien Verfügung hinterlassen. Wenn es dich glücklich macht, in New York zu leben und für ein großes Magazin zu arbeiten – ohne Bezahlung –, dann würde es sie auch glücklich machen.“
Sie schloss die Augen und stellte sich einen Moment lang das Gesicht ihrer Mutter vor. Ihrer wirklichen Mutter. Der Frau, die sie aufgezogen hatte.
Plötzlich verspürte sie den Drang, sich ihrem Vater anzuvertrauen.
„Worum geht es bei diesem Meeting, Jess? Hast du noch genug Zeit, mir davon zu erzählen?“
Sie blickte auf ihre Uhr. Wie lange würde es dauern, ihm die Wahrheit zu sagen? Auf jeden Fall länger als die drei Minuten, die ihr blieben. Das Verlangen war jedoch übermächtig. „Ich habe das Angebot bekommen, sozusagen der Schatten von Finola Elliott, der Herausgeberin des Magazins, zu werden.“ Sie wartete einen Moment, um zu sehen, ob er auf den Namen reagierte. „Aber ich weiß nicht, ob ich es annehmen möchte.“
„Warum nicht? Das klingt nach einer tollen Chance, und du wärst nicht ausgewählt worden, wenn sie nicht erkannt hätten, wie klug und talentiert du bist.“
„Ich bin einfach nicht sicher, ob ich so viel Zeit mit Finola Elliott verbringen will.“
„Würde sich das nicht gut in deinem Lebenslauf machen? Vielleicht bieten sie dir auch einen Job mit einem Gehalt an?“
Jessie lächelte. Ihr Vater hatte keinerlei Verständnis dafür, dass man ihr Praktikum nicht bezahlte. „Wäre möglich.“
„Wieso zögerst du dann noch?“
„Ich weiß nicht, ob ich so eng mit Finola zusammenarbeiten will.“
„Warum nicht?“
Sie holte tief Luft, schloss die Augen und flüsterte die Worte, die ihr seit fast einem Jahr durch den Kopf gingen. Sie musste sie aussprechen, musste es jemandem sagen.
„Weil Finola Elliott meine leibliche Mutter ist.“
2. KAPITEL
Jessie traf mit einigen Minuten Verspätung in der schummerigen Bar ein. Die warnenden Worte ihres Vaters schwirrten ihr noch durch den Kopf.
Erwarte keine Halleluja-Rufe, sobald sie das herausfindet. Sie ist eine Städterin, die wahrscheinlich nicht an eine Vergangenheit erinnert werden möchte, die sie vor dreiundzwanzig Jahren hinter sich gelassen hat. Wenn sie ein Wiedersehen gewollt hätte, Honey, meinst du nicht, sie hätte dich gefunden?
Selbst die Tatsache, dass Finolas Name auf einer Adoptionen-Suchliste im Internet aufgeführt war, überzeugte ihren Vater nicht, dass ihre leibliche Mutter vielleicht mit derselben Hoffnung und Angst, von der auch sie ergriffen war, die Suche aufgenommen hatte.
Jessie liebte diesen Traum, liebte es, sich den Moment vorzustellen, wenn Finola Elliott sie in die Arme schloss und ausrief: meine Tochter!
Ihr Vater könnte jedoch recht haben. In den fünf Monaten, die sie Fin jetzt beobachtete, hatte sie absolut nichts gesehen, das darauf hinwies, der achtunddreißigjährige Workaholic Finola Elliot könnte daran interessiert sein, das Kind zu finden, es kennenzulernen und zu lieben, das sie im Alter von fünfzehn Jahren zur Adoption freigegeben hatte.
Der Anblick ihres Traummannes an einem Ecktisch holte Jessie ins Hier und Jetzt zurück. Seit sie vor fünf Monaten zum Vorstellungsgespräch Cade McManns Büro betreten hatte, verspürte sie ein Kribbeln im Bauch, sobald sie ihn sah. Zuerst war es nur sein Äußeres gewesen – groß, muskulös, dunkelblondes Haar, blaugraue Augen. Unter der einnehmenden Schale steckte ein wunderbarer Chef mit Sinn für Humor, wie sie schon bald entdeckte.
Zudem war er ein Mann, der jede Entscheidung genau überdachte und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtete. Nur selten,
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