Collection Baccara Band 331
man es so ausdrücken, dass ich das Gefühl habe, sie irgendwie enttäuscht zu haben.“
„Aber wieso?“
Weil ich nicht in Bestform bin.
Weil ich verletzt und nicht perfekt bin.
Weil ich ihre Hilfe brauche und es genau andersherum sein sollte.
Javier drückte die Gedanken seufzend weg. Stattdessen sagte er: „Wahrscheinlich stört mich das Mitleid in ihren Gesichtern. Am liebsten wäre ich manchmal die Wände hinaufgegangen und ich hätte es wohl auch getan, wenn ich dazu in der Lage gewesen wäre.“
„Sie lieben Sie, Javier. Sie können ihnen nicht vorwerfen, dass sie sich um Sie sorgen. Erst, weil sie dachten, sie würden Sie verlieren, und jetzt, weil sie Ihren inneren Kampf spüren.“
Sie hatte vermutlich in allen Punkten recht. Aber wie sollte er zugeben, dass er mit der Erkenntnis kämpfte, nicht mehr der Beste zu sein, und dass er nicht sicher war, ob er sich je damit abfinden würde.
Siege im Wettkampf waren ihm immer in den Schoß gefallen, egal ob in der Wissenschaft, im Sport, im Job oder auch in der Liebe. Aber jetzt war er sich seiner selbst nicht mehr sicher, und das belastete ihn so sehr, dass er sich niemandem anvertrauen konnte. Nicht einmal Leah.
„Ihre Familie würde Ihnen gern helfen“, sagte sie, „aber Sie müssen sich auch helfen lassen.“
Er hasste diese Hilflosigkeit, in der er sich seit dem Erwachen aus dem Koma befand. Doch anstatt es zuzugeben, sagte er: „Manche Wege muss man allein gehen.“
Leah trat näher und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Oft tut es gut, jemanden an oder auf seiner Seite zu haben.“
Ihre Blicke trafen sich und ließen sich nicht mehr los. Für einen Augenblick war ihm, als böte sie ihm ihre Hilfe an, obwohl er ja schon fast nicht mehr in ihrer Obhut war. Doch noch ehe er diesen Gedanken weiter verfolgen konnte, nahm sie ihre Hand weg und trat einen Schritt zurück.
Vielleicht hatte sie das Gefühl, ihre Grenzen überschritten zu haben. Javier war es recht, denn er wollte auf keinen Fall eine Beziehung, bevor er nicht wieder topfit war. Und wann das sein würde, stand in den Sternen.
Während die Patienten zu Mittag aßen und Leah im Schwesternzimmer die Stellung hielt, erhielt sie den Anruf, auf den Javier wartete. Ein Krankenpfleger war auf dem Weg, um ihn in das an die Klinik angrenzende Rehabilitationszentrum zu bringen.
Leah ließ ihn nur ungern ziehen, doch es war wirklich das Beste. Sie hoffte, das alte Sprichwort, aus den Augen, aus dem Sinn, würde sich bewahrheiten.
An diesem Gedanken richtete sie sich etwas auf, bis ihr eine andere Weisheit in den Sinn kam: „Die Liebe wächst mit der Entfernung.“
Nein, rief sie sich zur Ordnung. Sie war wild entschlossen, sich Javier aus dem Kopf zu schlagen. Sobald er weg war, wollte sie sich wieder voll und ganz auf ihre Arbeit und ihre anderen Patienten konzentrieren.
Trotzdem war sie froh, dass sie diejenige sein würde, die ihm die frohe Botschaft überbrachte, auch wenn dies heute eigentlich Karens Aufgabe gewesen wäre. Doch Karen war früh in die Mittagspause gegangen und so übernahm Leah ihren Job.
„Ich bin nur kurz für zwei Minuten weg“, sagte sie zu Brenna, die neben ihr am Schreibtisch saß. „Geh bitte ans Telefon, wenn es läutet.“
Brenna nickte und Leah machte sich auf den Weg zu Javiers Zimmer. Als sie eintrat, kletterte Javier gerade mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück ins Bett. An der Seite lehnten zwei Krücken. Zu Wochenbeginn hatte Dr. Fortune einige der Schrauben entfernt, die seine gebrochenen Knochen bis zur Heilung zusammengehalten hatten, während andere für immer in seinem Körper blieben. Dadurch konnte Javier jetzt üben, wieder auf den eigenen Beinen zu stehen. Doch es bereitete ihm große Schmerzen.
„Ist alles okay?“, fragte sie. „Brauchen Sie Hilfe?“
„Nein danke“, erwiderte er und keuchte auf, „ich, ich schaffe es schon.“
Sie konnte es nur hoffen. Wegen der Schwere seiner Verletzungen hatte er gerade erst angefangen, mit Krücken zu gehen. Körperlich hatte er viel durchgemacht und die kommenden Tage würden anstrengend für ihn werden. Seine seelischen Narben waren unsichtbar, aber Leah konnte gut verstehen, warum seine Familie über professionelle Hilfe nachdachte.
Sie hatte es bereits in seiner Krankenakte vermerkt, deshalb wollte sie damit nicht wieder anfangen.
„Weiß Ihre Familie schon Bescheid?“, fragte sie.
„Ja.“ Er hob die Hüften an und schob die Zudecke zur Seite, um eine bequemere Lage für das
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