Collection Baccara Band 336
auf den Schoß ihrer Mutter legte. Sie schloss die Augen und glaubte für einen Moment zu spüren, wie die schlanken Finger ihrer Mom durch ihr Haar strichen, und meinte ihr leises Lachen zu hören, das sie oft von sich gab, wenn sie ihr eine von den Geschichtchen erzählte, die sie, Gina, sich als Kind ausgedacht hatte. Und sie hörte ihre freundliche Stimme: Du solltest sie aufschreiben, bevor du sie vergisst. Vielleicht willst du sie eines Tages veröffentlichen.
„Das habe ich, Mama“, flüsterte Gina ihrem Spiegelbild in der Fensterscheibe zu.
„Was haben Sie gesagt?“, fragte der Fahrer.
Gina schrak aus ihren Gedanken auf und wandte sich verlegen dem Mann am Steuer zu. „Schon gut. Es war nichts. Ich habe nur laut gedacht. Entschuldigen Sie.“
„Wir sind gleich da“, erwiderte er freundlich. „Wird auch Zeit. Der Wetterbericht sagt, dass wir noch mehr Schnee kriegen bis morgen früh, mindestens dreißig Zentimeter.“
Gina sah aus dem Fenster und lächelte. „Die Kinder werden begeistert sein. Schneeballschlachten, Schneemänner bauen und Schlitten fahren. Das wird ein Fest für sie.“
Der Fahrer blickte sie im Rückspiegel an. „Haben Sie Kinder?“
„Ich? Oh nein. Ich bin nicht verheiratet.“
Er wiegte nachdenklich den Kopf. „Man braucht keinen Trauschein, um Kinder in die Welt zu setzen. Heutzutage ist das nichts Besonderes mehr. Viele Leute denken, es sei leicht, Kinder alleine großzuziehen. Das ist verrückt, wenn Sie mich fragen. Ich glaube, dazu gehören immer noch zwei. Eine Mutter und ein Vater.“
Gina lehnte sich wieder an die Scheibe und erinnerte sich an ihre eigene Familie. Ein Vater, der nie da war, und eine Mutter, die verzweifelt versuchte, es ihm recht zu machen.
Manchmal sind selbst zwei Personen nicht genug, dachte sie traurig.
„So, da sind wir“, meinte der Mann. „Soll ich vor der Eingangstür halten oder in die Tiefgarage fahren?“
„Vor die Haustür bitte.“
Während er ihren Trolley aus dem Kofferraum lud, holte Gina das nötige Kleingeld aus der Brieftasche, um den Fahrpreis nebst Trinkgeld bezahlen zu können. Dann hängte sie sich die Handtasche über die Schulter, nahm ihre Aktentasche und stieg aus dem Wagen. Eine Schneeflocke landete genau auf ihrer Nasenspitze und brachte sie zum Lachen.
„Vielen Dank“, sagte sie und reichte ihrem Chauffeur das Geld. „Fahren Sie heute Nacht vorsichtig.“
Er tippte sich an die Mütze. „Das werde ich. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.“
„Danke gleichfalls“, erwiderte Gina, fasste den Trolley am Griff und zog ihn hinter sich her zur Treppe. Durch die Scheiben der Doppeltür flutete gedämpftes Licht über die schneebedeckten Stufen zum Eingang.
„Willkommen zu Hause.“
Gina stolperte, ließ erschrocken den Koffergriff los und wirbelte herum. Ein Mann trat aus dem Schatten neben dem Treppenaufgang. Die Hände in den Manteltaschen, eine Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen, sah er aus wie ein Straßenräuber. Auch wenn es in dieser Gegend kaum je zu einem Überfall kam, war es doch nicht ausgeschlossen. Gina befürchtete, sie würde Opfer eines der hier seltenen Verbrechen werden, und schaute sich hektisch nach dem Taxi um, doch es war schon zu weit entfernt, als dass sie sich dem Fahrer hätte bemerkbar machen können.
„Wie war Ihre Reise?“
Sie erkannte die Stimme des mutmaßlichen Straßenräubers und atmete erleichtert, aber fassungslos auf. „Case?“, fragte sie und presste sich eine Hand auf ihr hämmerndes Herz. „Lieber Himmel, Sie haben mich zu Tode erschreckt.“
Er trat näher und nahm die Kappe ab. „Tut mir leid. Das war nicht meine Absicht.“
Gina kam sich plötzlich ziemlich dumm vor, weil sie einen Überfall befürchtet hatte. Verlegen zog sie den Riemen ihrer Handtasche höher über die Schulter. „Was tun Sie denn hier?“
„Ich wollte Sie nach Ihrer Reise willkommen heißen.“
Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Woher wussten Sie, dass ich verreist war?“
„Eine von Ihren Nachbarinnen hat es mir gesagt. Ich glaube, ihr Name ist Zoie. Als der Blumenhändler mir telefonisch mitteilte, dass er keine Lieferungen mehr zustellen konnte, habe ich mir Sorgen gemacht. Ich dachte, ich schaue besser mal nach, ob mit Ihnen alles in Ordnung ist. Zoie kam zufällig gerade aus dem Haus, als ich eintraf, und erzählte mir, dass Sie auf Geschäftsreise in New York sind.“
Gina nahm sich vor, Zoie dringend ans Herz zu legen, sich in Zukunft um ihre
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