Collector - Operation Vade Retro: Band 2 - Roman (German Edition)
Sehenswürdigkeiten auf Christ, wurden mit Bussen und Flugzeugen strengstens organisiert durch die Gegend gekarrt, plünderten die Souvenirshops und retteten ihre Seele auf fünf Sünden im Voraus. Das alles funktionierte durch die sakrosankte Wirkung des Lebenswassers aus der Heilquelle, das Gebet vor dem fünfzig Meter hohen Reliquienaltar der Märtyrer, das Berühren der Heiligen Lanze oder das Betrachten des Heiligen Rocks. Und es gab viele weitere Möglichkeiten, die sich auf Christ boten.
Civer mied diesen Glaubensausverkauf, der schon immer zur kommerziell ausgerichteten Religiosität gehört hatte. Es spielte keine Rolle, welchen Gott oder welche Götter man anbetete – irgendeiner wollte stets Geld, mal Obolus, mal Steuern, mal Abgabe, mal freiwillige Spende genannt. So lief es eben.
Er dagegen hatte sich in den Dekaden als Nuntius seine eigene Philosophie und Glaubensauslegung erarbeitet. Der ursprüngliche Jesus, wie er im Testament beschrieben war, war relaxt und mochte Partys in großer und sehr gemischter Gesellschaft, traf sich mit Unterprivilegierten und Ausgestoßenen. Meistens war er friedlich. Außer im heiligen Zorn, und dann wurde Gottes Sohn auch schon mal handgreiflich.
Diese Grundhaltung machte sich Civer zu eigen, dazu mischte er einige Hardliner-Ansichten aus dem Alten Testament, bei denen es um Strafe ging, und als Streusel sowie Deko kamen seine ganz persönlichen Ansichten dazu. Damit war er gut gefahren.
Civer schnippte den Stummel vom Turm und sah zu, wie er fiel, eine Aschespur hinter sich herzog und erlosch. Das ersparte dem Gläubigen, der vielleicht davon getroffen wurde, ein Brandloch in der Kleidung.
Und ein Weichei als Uditor habe ich auch noch. Kann nur als Strafe gedacht sein. Sein Blick richtete sich auf den Dom, in den die Menschen strömten. Die heilige Messe würde bald beginnen, heute stand Apostel Simon Zelotes hinter dem Altar und schmiss die Show.
Civer freute sich, Christ verlassen zu dürfen, und hatte auch nicht vor, nochmals zurückzukehren.
Sobald sie das verlorene Predigerinschäfchen gefunden hatten, würde er sich direkt auf seinen Altersruhesitz begeben. Der Rummel und das Jahrmarktähnliche auf dem Planeten kotzte ihn an. Er war der Ausputzer und nicht der Lächler am Empfang.
Bei allem Kritischen gegenüber der Einrichtung Kirche glaubte Civer sehr wohl an Gott. Das bewahrte ihn davor, sich auf die andere Seite zu schlagen und ins Lager der Bösen zu wechseln.
Er nahm einen Schluck Mighty Spirit und grinste. Ich wäre ein guter Böser. O ja, das wäre ich!
Gelegentlich zweifelte er am Verstand seiner Vorgesetzten. Wie konnten sie annehmen, dass er nicht nachdachte?
Der Geheimsekretär Horàt hatte sich nicht versprochen, als er sie anwies, die Preacheress zurückzuholen.
Im Umkehrschluss bedeutete das: Was mit der armen Sau Anjelo geschah, interessierte den Mann nicht. Anjelos Überreste – sofern sie geborgen wurden – kamen in den Altar der Märtyrer, und man würde einen Gottesdienst für den gefallenen Preacher abhalten. Eines von hundertfachen ähnlichen Schicksalen. Missionstätigkeit bedeutete Opferbereitschaft.
Aber das gilt nicht für die süße Preacheress. Warum? Civer erinnerte sich an die Personalakte, die er vorhin im Zuge der Vorbereitung gelesen hatte. Einst Eloise Drake, jetzt Preacheress Colomba. Sie sah hübsch aus, trotz der kurz geschnittenen Haare. Die Eltern gingen normalen Berufen nach, es gab keine wichtigen Persönlichkeiten in ihrer Verwandtschaft oder Bekanntschaft. Nichts, was sie als Entführungsopfer interessant machte.
Colomba hatte sich nach Abschluss der Schule sofort bei der Church beworben und von Anfang an klargemacht, dass sie in die Mission wollte. Dabei fiel sie sowohl durch ihre Diskussionsbereitschaft mit den Lehrern als auch durch ihre flammende Begeisterung für die Church sowie ihre Leistungsbereitschaft auf. Zudem forderte sie mehr Bescheidenheit von den hohen Würdenträgern und eine Besinnung auf die wahren Werte des christlichen Glaubens.
Kein einfacher Charakter und kein Dummchen. Hätte Luther bestimmt gut gefallen , dachte Civer grinsend.
Blieb als Grund ihres Verschwindens ein schnödes Verbrechen aus verschiedenen Motiven. Möglicherweise hatte sie die Arbeiter auf Cornu Copiae einfach durch ihre Beta-freundliche Haltung aufgebracht. Oder sie war vergewaltigt und entsorgt worden.
Civer lehnte den Kopf an den warmen Stein. Und doch ist es merkwürdig, dass wir nachschauen sollen. Ein
Weitere Kostenlose Bücher