Collector
KSP-Antrieb. Eine durchsichtige Plane deckte die Maschine ab, jemand hatte VIP darauf gesprüht. Auf dem Jet prangten Hammer, Sichel und das Doppeladler-Wappen der Romanows, darunter die russische Flagge. Ein Geschenk Gottes!
Aber Lyssander eilte daran vorbei.
»Halt«, rief sie halblaut. »Was ist mit dem Gleiter?«
»Gehört dem Gouverneur. Für Notfälle. Hat ein Ortungssystem eingebaut, mit dem sie uns verfolgen können.«
Das war Theresa gleichgültig. »Das lässt sich doch bestimmt ausschalten. Sie können es ausschalten.«
Lyssander blieb stehen. »Aber der Gleiter hat keine Waffen!«
»Die brauchen wir nicht. Ich gedenke nicht, mit den Collectors zu kämpfen. Wir haben keine Chance gegen sie.« Sie zeigte gegen das Dach. »Trauen Sie sich einen KSP innerhalb der Atmosphäre zu?«
Er lachte schrill auf. »Ich kenne die Schmerzen, aber Sie, Bishopness, werden leiden. Mehr als leiden. Und vielleicht auch sterben!«
»Das Risiko gehe ich ein.« Theresa kannte die Gefahren eines KSP, solange man sich in den unteren Atmosphärenschichten befand. Deren Masse beeinflusste die körperlichen Auswirkungen des Sprungs auf den Menschen und belastete vor allem das Venen- und Arteriensystem. Aneurysmen traten bei sechzig Prozent der Versuche auf, geplatzte Adern und Thrombosen bei neunzig Prozent. »Sie haben keine Angst?«
»Nein. Ich sterbe dabei nicht. Ich halte einfach die Luft an.« Er zog die Plane vom Schiff und betätigte den Öffnungsmechanismus. Surrend öffnete sich die Schleuse, und er stieg ein.
Die Luft anhalten? Er ist verrückt. Theresa kletterte ihm wieder nach und schloss den Eingang, folgte ihm ins Cockpit.
Sämtliche Beschriftungen waren auf Kyrillisch, eine der vielen Eigenheiten der Russen innerhalb der Coalition.
Lyssander störte das nicht wesentlich. Er aktivierte den Reaktor und fuhr die Systeme hoch. Mit einem gezielten Tritt entfernte er eine Abdeckung, dann riss er mehrere Platinen heraus und zerstampfte sie unter seinen Absätzen. Das Ortungssystem.
Theresa beobachtete ihn und machte sich bereits Gedanken für die Zeit nach ihrer gelungenen Flucht von Putin. Sie würden wirklich am besten doch nach Christ fliegen. Der Convent der Apostel musste Bescheid wissen, und dazu brauchte sie die Unterstützung von Lyssander und... »Ralda!« Herr, wie konnte ich sie beinahe vergessen! Sie schob es auf die Aufregung und das Mittel, das man ihr verabreicht hatte. »Wir müssen nochmals in die Innenstadt«, sagte sie und stand von ihrem Sessel auf. »Ich muss meine Deaconess retten.«
Seine Hand schloss sich um ihren Unterarm, er zog sie zurück. Sie musste sich beherrschen, ihm keinen Schlag zu verpassen. »Nein«, sagte er entschieden und zeigte auf die Sensoren, die angesprungen waren. »Die Collectors sind die blauen Punkte.«
Theresa sah ihre Vermutungen bestätigt: Auf der Suche nach ihrem Übersetzer hatten die Fremden ihre Truppen offenbar verzigfacht. Zu viel blau.
»Wir kämen keine fünfzig Meter weit«, flüsterte er.
Ralda aufgeben? Verrat an ihr begehen? Sie sah die junge Deaconess mit Männern in einem Bett und sich der künstlichen Wollust hingebend, sah sie ungewollt schwanger und ein Opfer der Collectors werden - wie alle anderen auf Putin.
»Sie ist bestimmt schon in deren Obhut«, sagte Lyssander. »Wir können sie nicht retten, ohne uns in zu große Gefahr zu begeben.«
Theresa starrte auf die schier allgegenwärtigen blauen Punkte. »Wir können hinfliegen ...«
»Sobald wir den Hangar verlassen, sind wir auf deren Radar«, unterbrach er sie. »Es ist schon knapp genug, um weit genug in die Höhe zu kommen.«
Sie presste die Hände zusammen. So sehr sie nach einer anderen Möglichkeit suchte, keine davon war gut genug. Er hat Recht. Wir müssen sie zurücklassen, um unser höheres Ziel zu erreichen. Theresa sprach grimmig ein Gebet für Ralda. Aber ich werde zurückkehren und sie erretten! »Fliegen Sie los.« Sie legte den Gurt an.
Lyssander zeigte auf das Display mit der Reaktorkontrolle. »Ich würde gern noch warten, bis wir die volle Leistung erreicht haben. Damit ist sicher, dass wir den KSP-Antrieb sofort nutzen können. Dauert noch knappe fünf Minuten.«
Theresa schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Wand. Den Gestank, den der Mann verströmte, roch sie gar nicht mehr. Sie sah ihn vor sich, rasiert, gewaschen, mit schönen neuen Zähnen - und sie bekam Lust. Ungewohnt heftige Lust, die sie sehnsüchtig werden ließ. Sehnsüchtig nach einer
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