Collector
Er aß Popcorn, sein Mund musste dabei offen stehen. »Sie konnte nichts dafür. Unmittelbar nach der ersten Bewegung von Kris' Stapler erfolgte der Eingriff, und zwar durch eine Beeinflussung vom Frachtraum aus. Er war nicht alleine da.«
»Heißt das, wir haben einen Saboteur in der Truppe?« Sie sah sich unwillkürlich um.
»Oder einen Passagier, den wir nicht hereingebeten haben. Cortés hat ihn nicht gesehen, die Kameras standen im falschen Winkel. Oder es ist unsichtbar, was immer es war, das Cortés in der Steuerung herumspielte.« 23 klang zornig. »Das war Vergewaltigung von künstlicher Intelligenz!«
Faye überlegte. »Weiß meine Schwester Bescheid?«
»CoDriver weiß Bescheid, meine Schöne«, sagte er kichernd. »Bericht und Ausdrucke. Alles. Alles! Kris ist unschuldig, Cortés ist unschuldig. Ich, der Soldatenmann und seine Krieger sind gerade auf CoDrivers Geheiß dabei, die Stockwerke zu cleanen. Ich mit den Augen von Cortés, die anderen zu Fuß. Keine besonderen Vorkommnisse. Bis auf unsere fünf Neuzugänge.« Er schluckte laut und trank schlürfend, was sie dazu brachte, den Mund zu verziehen. Es gab schönere Geräusche. »Die Automaten. Die Blechbüchsen.«
Die 20Ts. Nuria hat sie erwähnt. »Wo sind sie?« Faye hätte sie sich am liebsten gleich angesehen, nachdem sie von Kris die Beschreibungen seiner Halbschwester gehört hatte: Eine verchromte Gottesanbeterin, das würde sie sich nicht entgehen lassen.
»Sie machen gerade eine Tour und haben erst angefangen. Sie sind im unteren Deck. Ich habe ihnen einen Reinigungs-Bot geschickt, der ihnen die Sektionen anhand seines Putzplans erklärt.« Wieder knisterte es furchtbar. Sie stellte sich vor, dass es seine gesprungenen Zähne waren, die abbrachen und splitterten.
»Danke. Ich schaue sie mir mal an.« Faye parkte den Stapler und verließ den Frachtraum, in dem zwei Clean-Bots die letzten Spuren des Durcheinanders beseitigten. Kleine Dosen und verstreutes Essenskonzentrat wurde von ihnen eingesogen, der Boden gewischt. Aus einer Eingebung heraus beendete sie die Verbindung noch nicht. »Ach, 23?«
»Du störst mich beim Suchen«, quengelte er wie ein Kleinkind und schmatzte dabei.
»Waren die Automaten schon an Bord, als die Anlage im Frachtraum durchdrehte?«
»Kann sein, weiß nicht genau. Muss jetzt weg. Suchen. Mit Cortés.« Der Chemical rülpste und schaltete ab.
Faye fuhr mit dem Lift in die unterste Ebene des Raumschiffs und trabte locker durch die Korridore, auf der Suche nach den fünf Mitgliedern des 20T. Sie hätte auch 23 fragen können, wo genau sie sich befanden, aber dann würde der Chemical vermutlich seine Beherrschung verlieren. Das wollte sie sich und ihm ersparen.
Gang für Gang, Schleuse um Schleuse passierte sie. Von den Neuankömmlingen fehlte jede Spur.
Wo stecken sie? Faye war sich im Klaren darüber, dass sie stundenlang durch die Cortés laufen könnte, ohne sie zu treffen. Und gerade eben, als sie 23 doch anfunken wollte, Laune hin oder her, wurde sie fündig.
Sie standen vor dem dicken Stahlschott, das in die Luftschleuse führte, in dem der Collector gefangen saß: die fang-schreckenförmige Halbschwester, die wirklich so aussah, wie Kris sie beschrieben hatte; ein Mann und eine Frau, die auf den ersten Blick unmodifiziert waren; ein schmaler Roboter, gerade einmal etwas mehr als ein Meter groß mit einem runden, schwarzen Tonnenleib sowie sechs mechanischen Armen ausgerüstet. Mann und Frau trugen lange schwarze Mäntel, darunter schauten dunkelgraue Hosen und klobige Militärstiefel hervor. Sie standen andächtig um den kleinen Putz-Bot der Cortés herum und lauschten seinen seelenlos vorgetragenen Erklärungen.
Sollten es nicht fünf sein? Faye schaute sich um, entdeckte in dem Gang jedoch keinen weiteren 20T. »Hallo«, grüßte sie in die Runde und näherte sich. »Sie machen sich schon mit dem Schiff vertraut.«
Sie hoben die Köpfe und blickten sie an. Mann und Frau lächelten sofort, auf den metallenen Gesichtern der Schrecke und des Bots konnte sie keine Regung ausmachen. »Von Grund auf. Und wir können uns danach als Reinigungskräfte verdingen«, antwortete der Mann und deutete eine Verbeugung an. »Mein Name ist Olonin«, stellte er sich galant vor.
Kris' Halbbruder. Faye steckte die Hände in die Taschen. Zu nett wollte sie nicht sein. Die Automaten hatten sich nicht zuerst bei der Crew vorgestellt, wie es sich gehört hätte, sondern inspizierten die Cortés, als wollten sie das
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